Die SPD hat die Wahl in Hamburg gewonnen. Rot-Grün will weiterregieren. Die CDU bietet sich als Alternative an. Die AfD bleibt einstellig. Die Chronik des Wahlabends
Aktualisiert am 2. März 2025, 23:23 Uhr
67,7 % Wahlbeteiligung • Stand: So., 23.02 Uhr •
Quelle: Statistikamt
Mehrheit mit 61 Sitzen
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Die SPD hat bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg klar gewonnen – trotz Verlusten. Die CDU konnte ihr Ergebnis fast verdoppeln. Die Grünen landen dicht dahinter auf Platz drei. Hamburgs Erster Bürgermeister
Peter Tschentscher will Rot-Grün fortsetzen,CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering drängt auf eine rot-schwarze Koalition.
Die vereinfachte Auszählung ist abgeschlossen, das vorläufige Ergebnis steht wegen des komplizierten Wahlsystems erst am Montag fest.
Nun steht das Wahlergebnis für heute Abend fest. Die SPD hat die Bürgerschaftswahl laut den vorläufigen offiziellen Zahlen trotz Verlusten klar gewonnen. Auf die Sozialdemokraten von Regierungschef Peter Tschentscher mit 33,5 Prozent folgen in der von der Landeswahlleitung veröffentlichten "vereinfachten Auszählung" der Zweitstimmen die oppositionelle CDU mit 19,8 Prozent und die mitregierenden Grünen mit 18,5 Prozent. Die Linke erreicht demnach 11,2 Prozent vor der AfD mit 7,5 Prozent. Während die Partei Volt mit 3,3 Prozent einen Achtungserfolg erzielte, verpassten die FDP und das BSW mit 2,3 Prozent beziehungsweise 1,8 Prozent den Einzug in das Landesparlament deutlich.
In der 121 Sitze umfassenden künftigen Bürgerschaft haben die bisherigen Regierungsparteien SPD (45 Sitze) und Grüne (25) zusammen weiterhin eine Mehrheit. Die CDU kommt auf 26, die Linke auf 15 und die AfD auf zehn Sitze. Die Wahlbeteiligung lag der Auszählung zufolge bei 67,7 Prozent.
Am Montag wird nun akribisch ausgezählt; um 8 Uhr soll es losgehen. Gezählt wird wohl den ganzen Tag über – schließlich hatte jede Wählerin und jeder Wähler zehn Stimmen. Das vorläufige Endergebnis wird gegen 20 Uhr erwartet.
Warum ist Rot-Grün in Hamburg so beliebt?Der rot-grüne Senat des Stadtstaats Hamburg
kann mit sicherer Wahrscheinlichkeit weitere fünf Jahre mit klarer Mehrheit regieren. Doch warum ist Rot-Grün in der Hansestadt so beliebt? Die Antwort darauf haben Frank Drieschner und Dana Hajek für ZEIT ONLINE in sechs Punkten zusammengefasst.
Mehr dazu lesen Sie hier:
Die Lehren aus der BürgerschaftswahlDie Bürgerschaftswahl in Hamburg ist der erste Stimmungstest nach der Bundestagswahl. Manche Trends, die sich am vergangenen Sonntag auf Bundesebene beobachten ließen, zeigen sich auch in Hamburg, andere Ergebnisse weichen deutlich ab. "Hamburg ist nicht Deutschland", schreibt mein Kollege Michael Schlieben. Trotzdem lassen sich fünf Lehren daraus ziehen.
Wie die SPD gewinnen konnte, warum die AfD in Hamburg einstellig bleibt und die Linke ihr Momentum hält, lesen Sie hier:
Die dritte Hochrechnung der ARD zeigt in den Wahlergebnissen kaum Veränderungen. Die SPD kommt in der Hochrechnung um 21.48 Uhr auf 33,6 Prozent. Die CDU bleibt unverändert bei 19,8 Prozent. Grüne und Linke gewinnen leicht hinzu und stehen bei 18,5 beziehungsweise bei 11,2 Prozent. Die AfD verliert 0,2 Punkte und liegt bei 7,5 Prozent.
Thering: Schwaches AfD-Ergebnis Erfolg der CDUUnd noch mal der Spitzenkandidat der CDU zu seiner Oppositionsarbeit:
Dennis Thering verbucht es als Erfolg seiner Partei, dass die AfD in Hamburg trotz Zugewinnen einstellig blieb.Man habe einen klaren Kurs in der Verkehrs-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik verfolgt und auch nicht zugelassen, dass ein
Keil zwischen den Landesverband und den umstrittenen Kanzlerkandidaten Friedrich Merzgetrieben wurde.
Die Wählerinnen und Wähler hätten das goutiert und erkannt: “Super, wir brauchen keine AfD in Hamburg, wir haben eine starke bürgerliche Opposition.”
Die Linke feiert sich – und hadert doch mit taktischem Verhalten vieler WählerDie Linke wird das
beste Bürgerschafts-Wahlergebnisaller Zeiten erzielen. Dennoch: Die 11,2 Prozent, die die Linke voraussichtlich erreichen wird, sind deutlich weniger als das Hamburger Ergebnis der Bundestagswahl – hier hatte die Linke 14,4 Prozent.
Woran hat's gelegen? Der Linken-Politiker Norbert Hackbusch, der mit dieser Wahl aus der Bürgerschaft ausscheidet, glaubt, dass taktisches Wahlverhalten der Grund war: "Viele Leute haben mir gesagt: Ihr kommt ja eh sicher rein, dann kann ich auch Grün wählen, damit die SPD nicht am Ende mit der CDU koalieren muss."
Die Stimmung ist trotzdem gut bei der Linken-Wahlparty im Mojo Club auf der Reeperbahn. Man freut sich nicht nur über das gute eigene, sondern auch über das vergleichsweise schwache Wahlergebnis der AfD. "Wir haben es geschafft, die Faschos unter zehn Prozent zu halten", ruft der Conferencier der Wahlparty von der Bühne – die Genossinnen und Genossen antworten mit "Alerta, Alerta, Antifascista"-Rufen.
Am Ausgang des Mojo Clubs wartet Jan van Aken auf ein Taxi, das ihn ins Hamburger Congress Center bringt, wo er Interviews geben muss. Ein Jungmitglied reicht ihm eine Ausgabe des Kommunistischen Manifests und bittet ihn, das Buch für ihn zu unterschreiben. Van Aken setzt seinen Kringel ins Buch, dann noch ein schnelles gemeinsames Foto, dann muss er los – das Taxi ist da. "Ich komm gleich wieder", ruft er. Bei der Linken wird heute lange gefeiert.
Thering weist Kritik an der Oppositionsarbeit der CDU zurückCDU-Spitzenkandidat
Dennis Thering weist die Kritik des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Kienscherf an der Oppositionsarbeit seiner Partei zurück.Kienscherf hatte das Verhalten von Christdemokraten
“teilweise menschlich unanständig” genannt. Das bestritt Thering am Rande der CDU-Wahlparty: “Wir haben faire Oppositionsarbeit gemacht und niemanden persönlich beleidigt.”
Jetzt hoffe er für die Sondierungsgespräche, “dass die SPD ergebnisoffen reingeht”. Eine rot-schwarze Koalition sei mit Blick auf die voraussichtliche Bundesregierung “ein gutes Match”. Eigentlich sei es die Regel gewesen, dass die CDU in Hamburg zehn Prozent hinter dem Bundestrend lande. Das sei diesmal anders: “Das Ergebnis zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben, auch bei vielen SPD-Wählern.”
Und wenn es in Hamburg nicht zu einer Regierungsbeteiligung der CDU kommt? “Irgendwann wird's passieren”, sagt Thering.
Ines Schwerdtner sieht in Hamburg eine Fortsetzung des Wahlerfolgs aus dem BundDie Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, Ines Schwerdtner, sagte beim Sender Phoenix, dass "die linke Erfolgswelle aus dem Bund" auch bis nach Hamburg in die Bürgerschaftswahl geschwappt sei. Das prognostizierte Ergebnis sei nun die Grundlage, "weiterhin eine sehr starke soziale Opposition zu sein". SPD und Grüne hätten in Hamburg an Stimmen verloren, weil die Menschen "das Vertrauen verloren haben in die Wohnungspolitik, in die Sozialpolitik der vorigen Regierung." Das müsse ein deutliches Zeichen sein, etwa die Mietenpolitik und die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, sagte Schwerdtner. "Und darauf wird die Linke auch achten."
BSW fühlt sich von der Bundespartei im Stich gelassenBeim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das in einem Kino im Schanzenviertel den Wahlabend begeht, ist
die Stimmung angesichts des schwachen Ergebnisses trotzig-heiter. Die Hamburger BSW-Mitglieder fühlen sich ein wenig von der Bundespartei im Stich gelassen – zu wenig Wahlkampfmaterial habe zur Verfügung gestanden, keiner vom Vorstand – die Hamburger Spitzenkandidatin Żaklin Nastić ausgenommen – sei nach Hamburg gekommen.
Auch Sahra Wagenknecht hatte sich in der entscheidenden Woche zwischen Bundestags- und Hamburg-Wahl nicht blicken lassen. "Ich weiß nicht, warum sie nicht gekommen ist", sagt Ina-Marie Raab, Landesvorstandsmitglied, die auf Platz 8 der Landesliste kandidierte. "Sahra hat wahnsinnig viel Wahlkampf gemacht", nimmt Nastić die Namensgeberin der Partei dagegen in Schutz. "An der hat es nicht gelegen."
Der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat Jochen Brack findet, die Bundespartei hätte weniger wählerisch sein sollen, was die Aufnahme von Neumitgliedern angeht. "Es gibt da eben Kräfte, die wollen lieber klein und fein bleiben, das geht in Richtung Sektierertum, dafür stehe ich nicht – ich bin für Meinungsvielfalt auch innerhalb der Partei." Der Hamburger Landesverband des BSW hat derzeit nur rund 30 Mitglieder – die Bundespartei hat die Order ausgegeben, nur sehr ausgewählt neue Mitglieder aufzunehmen. "Wir haben rund um die Uhr Wahlkampf gemacht", sagt ein Parteimitglied, "aber mit den paar Leuten kann man nicht viel reißen."
Tschentscher nach Berlin? "Dafür fehlt mir im Moment die Vorstellungskraft"Der Hamburger Kultursenator
Carsten Brosda (SPD), der auch als einflussreicher Denker in seiner Partei gilt,
will einen Wechsel des Wahlsiegers Peter Tschentscher in die neue Bundesregierung zwar nicht ausschließen,kann sich den Schritt aber dennoch nur schwer vorstellen, selbst wenn die SPD Tschentscher einen Ministerposten in Aussicht stellen würde. "Warum sollte jemand, der hier so erfolgreich die ganze Breite der Politik abbildet, dort ein Ressort übernehmen?", sagte Brosda ZEIT ONLINE. "Deshalb fehlt mir dafür im Moment die Vorstellungskraft."
Brosda betont, dass sich Peter Tschentscher das Vertrauen der Hamburgerinnen und Hamburger "über Jahre hart erarbeitet" habe. "Ich weiß nicht, ob es noch einen Politiker in Deutschland gibt, der solche Zustimmungswerte genießt."
CDU-Kandidat Dennis Thering wird für das Comeback seiner Partei gefeiertKnapp drei Stunden nach dem offiziellen Beginn der Wahlparty der CDU wird es plötzlich unruhig.
“Dennis, Dennis”, skandieren die Ersten.Dann kommt zu den Klängen von U2
(It's a beautiful day)endlich der Spitzenkandidat. Nur schwer kann sich Thering den Weg durch die Menge der Parteifreunde bahnen.
“Keiner hat an die CDU Hamburg mehr geglaubt vor fünf Jahren”, sagt Thering, als er dann endlich auf der Bühne steht. “Jetzt können wir wirklich voller Stolz sagen, die CDU Hamburg ist wieder da, wir haben's geschafft.”
Viel mehr als Danke – an seine Fraktion, seine Partei, seine Ehefrau – wolle er heute nicht sagen. “Ist mir völlig egal, was morgen ist, was mit Sondierungsgesprächen ist, ich glaube, ich habe dazu schon alles gesagt", ruft Thering von der Bühne. "Jetzt haben wir einfach einen geilen Abend, liebe Freundinnen und Freunde.”
Absperrgitter vor AfD-Wahlparty18.45 Uhr. Die Schmiedestraße in der Nähe des Hamburger Rathauses ist abgesperrt.
Polizeiwagen und Polizisten sichern den Eingang zum Büro der AfD-Bürgerschaftsfraktion, in dem an diesem Abend die Wahlparty stattfinden soll. Auf Anfrage der ZEIT hieß es zuvor: Keine Kapazitäten mehr.
Knapp 30 Demonstrantinnen und Demonstranten sind gekommen, aber sie sind so laut, dass man sie oben auf der Wahlparty gut hören kann: "Ganz Hamburg hasst die AfD“ und "Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“, schallt es im Chor. Alle sind schwarz gekleidet, schwenken rote und schwarze Fahnen. Auf einem Banner steht: "Wir haben keine Wahl – gegen eine Politik der Rechten und Reichen“.
Die Demo sei erst gegen 16 Uhr angekündigt worden, sagt ein Teilnehmer, der gerade Antifa-Flyer verteilt. Vielleicht seien deshalb so wenige gekommen. Vor allem aber säßen die AfD-Leute da oben in ihrem kleinen Büro, könnten gar nicht richtig feiern. Und das sei etwas Gutes.
Linke und SPD gewinnen bei jungen WählernBei den jungen Wählerinnen und Wählern in Hamburg haben SPD und Linke am besten abgeschnitten. Zu diesem Ergebnis kommt die Forschungsgruppe Wahlen. Demnach kommen beide Parteien bei den unter 30-Jährigen auf 26 Prozent.
Bei der vergangenen Wahl im Jahr
2020 lag die Linkspartei bei den jungen Menschen bei 14 Prozent, die SPD bei 27 Prozent.
Besonders hohe Verluste erlitten laut der Analyse die Grünen. In der jungen Altersgruppe verloren sie demnach elf Prozent im Vergleich zur letzten Wahl.
Warum das vorläufige Wahlergebnis heute noch nicht feststehtBei der Bürgerschaftswahl in Hamburg wurden bereits die ersten Hochrechnungen veröffentlicht. Doch
die vollständige Auszählung der Stimmen wird sich ziehen. Das liegt daran, dass heute Abend
eine erste, vereinfachte Auszählung durchgeführt wurde, um eine grobe Einschätzung der Sitzverteilung in der Bürgerschaft zu bekommen. Dabei wird nur gezählt, wie viele gültige Landesstimmen eine Partei oder Wählervereinigung insgesamt erhalten hat.
Morgen beginnt dann die reguläre Auszählung aller Stimmen in den Wahlkreisen. Sobald alle Ergebnisse vorliegen, verkündet der Landeswahlleiter am Abend das vorläufige Wahlergebnis. Nach der Prüfung aller Stimmen stellt der Landeswahlausschuss das amtliche Endergebnis schließlich am 19. März fest.
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