A RetroSearch Logo

Home - News ( United States | United Kingdom | Italy | Germany ) - Football scores

Search Query:

Showing content from https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-05/bevoelkerung-russland-ukraine-krieg-rueckgang below:

Website Navigation


Bevölkerung in Russland: Das ist der Putin-Exodus

Bevölkerung in Russland: Das ist der Putin-Exodus

Während die meisten Russen den Krieg unterstützen, wandern viele, die das nicht tun, aus. Sie sind oft jung und gebildet. Mit ihnen verliert Russland seine Zukunft.

13. Mai 2022, 8:12 Uhr

Am Druzhba Narodov-Brunnen in Moskau im Mai 2021 © Kirill Kudryavtsev/​AFP/​Getty Images

Es ist eine niederschmetternde Zahl und sie ist sattsam bekannt: Rund 80 Prozent der russischen Bevölkerung unterstützen die "militärische Spezialoperation", wie Wladimir Putins Feldzug gegen die Ukraine in Russland genannt wird. So erschreckend sie sein mag, darf sie aber nicht den Blick verstellen auf einen anderen Teil der russischen Bevölkerung, der nicht weniger Aufmerksamkeit bedürfte: Russinnen und Russen, die gegen den Krieg sind, und jene, die aus Protest, Furcht oder Perspektivlosigkeit das Land verlassen. Ihre Bedeutung wächst, weil sie dem Land einen Schaden zufügen, der noch lange spürbar sein kann.

Russland verliert Menschen, jeden Monat, jede Woche, jeden Tag. Die Rede ist vom Bevölkerungsschwund. Laut einer jüngst öffentlich gewordenen Statistik des Geheimdienstes FSB haben seit Jahresbeginn bis Ende März mehr als 3,8 Millionen russische Staatsbürger die Grenzen ins Ausland überquert. Selbstverständlich sind davon nicht alle im Ausland geblieben. Doch es gibt Hinweise, die den Ernst der Lage verdeutlichen. 

Russland verliert seine Zukunft

Der russische Verband für digitale Kommunikation schätzt, dass allein im April bis zu 100.000 Menschen mit hervorragenden digitalen Kenntnissen das Land verlassen hätten. Die in Russland verbotene Organisation Ok Russians, die geflohenen Russinnen und Russen im Ausland hilft, kam für den März auf rund 300.000 Menschen, die Russland den Rücken gekehrt haben sollen. Davon hätten 57 Prozent eine feste Arbeit, die Hälfte ein gutes Einkommen gehabt. Rund ein Drittel seien im IT-Bereich beschäftigt gewesen. Und das Wichtigste: Fast 60 Prozent seien unter 35 Jahre alt gewesen. 

© Lea Dohle

Newsletter

Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick

Starten Sie mit unserem kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag. Erhalten Sie zudem freitags den US-Sonderletter "Was jetzt, America?" sowie das digitale Magazin ZEIT am Wochenende.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Russland verliert seine Zukunft. Seine besten Kräfte drängen aus dem Land. Nicht erst seit Kriegsbeginn verlassen junge, mobile, gut ausgebildete Menschen die Russische Föderation: Künstler, Journalisten, Wissenschaftler, Unternehmer, bestens ausgebildete Spezialisten. In den vergangenen zwanzig Jahren sollen rund fünf Millionen gegangen sein. Zugleich wanderten Menschen vor allem aus Asien ein. Jetzt aber nehmen die Zahlen der Ausreisenden rasant zu. Das ist der Putin-Exodus. Die neuen Auswanderer setzen das fort, was viele ihrer Landsleute schon in früheren Wellen der Emigration, etwa nach der Revolution von 1917, in der späten Sowjetzeit und in den Neunzigerjahren, taten: Sie verlassen das Land.

Weiterleben im Widerspruch ist nicht mehr möglich

Kürzlich sprach ich in Istanbul mit einem 34-jährigen Russen aus St. Petersburg, den es ebenfalls ins Ausland zieht. Er wollte nicht, dass ich ihn mit Namen zitiere, weil seine Familie noch in Russland lebt. Er arbeitete dort in einer IT-Firma, auch seine Frau hatte einen guten Job. "Wir müssen uns mit unserer Meinung dauernd verstecken", begründete er seine Entscheidung, zu gehen. Er nannte noch einen weiteren Grund: Russland schneide sich von der internationalen Technologieentwicklung ab. "Es ist absehbar, dass unsere Firmen uns irgendwann entlassen werden." Das wollte das Paar nicht abwarten. Von Istanbul schauen sie nun, wo in der Welt ihre Aussichten am besten sind. Beide sprechen gut Englisch und studieren die Angebote.

An dieser Stelle ist ein externer Inhalt eingebunden

Zum Anschauen benötigen wir Ihre Zustimmung

Schon nach wenigen Wochen der Militäroperation werden die tieferen Folgen für Russland absehbar. Gerade junge Leute sehen keine Zukunft mehr für sich, sie fürchten die Diktatur ebenso wie die Abschottung des Landes von der entwickelten Welt. Gerade die Jüngeren hatten die Öffnung Russlands seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion genutzt und genossen. Sie führten ein perfektes westliches Leben in einem Land, dessen Mächtige ohne Unterlass auf den Westen schimpften. Doch ein Weiterleben in diesem Widerspruch ist für sie nicht mehr möglich. Die Macht hat sich durchgesetzt.

Schwerwiegender als westliche Sanktionen

Der Moskauer Journalist und Politologe Andrei Kolesnikov fasst es so zusammen: "Jetzt, nach mehr als dreißig Jahren des Versuchs, ein normales Land aufzubauen, ist das, was wir haben, ein völliger Fehlschlag, eine völlige Abschaffung nicht nur dessen, was ich getan habe, sondern des gesamten Lebens im Allgemeinen. Es ist, als hätte es nie existiert." Daraus werden viele ihre Schlüsse ziehen.

Russland hat nach UN-Angaben derzeit noch 145,8 Millionen Einwohner. Eine laxe Corona-Politik und die Nichtzulassung ausländischer Impfstoffe ließen überdurchschnittlich viele Russen in der Pandemie sterben. Unabhängige Moskauer Demografen schätzen die Übersterblichkeit in Russland zwischen April 2020 und Dezember 2021 auf über eine Million. Das heißt, dass in Russland eine Million Menschen mehr starben als im Durchschnitt der vorangegangenen Jahre.

Russland schrumpft. Natürlich werden diese Daten von den Behörden gemeinhin unter der Decke gehalten. Genauso wie niemand in der Regierung belastbare Zahlen veröffentlicht, wie viele Menschen derzeit wirklich das Land verlassen. Das sind Staatsgeheimnisse. Trotzdem zeichnet sich jetzt schon ab, dass nicht die westlichen Sanktionen dem Land am meisten schaden, sondern eine katastrophale Politik der russischen Regierung, die die Besten und Klügsten aus dem Land treibt. Russland sanktioniert sich selbst.


RetroSearch is an open source project built by @garambo | Open a GitHub Issue

Search and Browse the WWW like it's 1997 | Search results from DuckDuckGo

HTML: 3.2 | Encoding: UTF-8 | Version: 0.7.3