Lockdown und Impfpflicht hat Österreich nicht nur den Ungeimpften zu verdanken. Schuld tragen vor allem Politiker, die sich ihr Scheitern nicht eingestehen.
19. November 2021, 14:26 Uhr
ArtikelzusammenfassungÖsterreichs Bundeskanzler Schallenberg gibt Ungeimpften die Schuld an Lockdown und Impfpflicht, während Gesundheitsminister Mückstein sich für Regierungsversagen entschuldigt. Trotz früherer Versprechen befindet sich das Land im harten Lockdown und plant eine allgemeine Impfpflicht ab Februar. Die Regierung hat politisch versagt, indem sie die Pandemie für beendet erklärte und nun drastische Maßnahmen ergreifen muss. Die Bevölkerung ist verunsichert, das Gesundheitssystem überlastet, und die Regierung zeigt sich zerstritten und handlungsunfähig.
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Der österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, Bundeskanzler Alexander Schallenberg, der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter und der Präsident des Österreichischen Städtebundes Michael Ludwig (von links nach rechts) © Johann Groder/EXPA/AFP/Getty Images Inhalt Auf einer Seite lesen InhaltSeite 1Österreichs Versagen
Eigene Fehler? Nein, die hat keiner gemacht. Und schon gar nicht Österreichs Bundeskanzler Alexander Schallenberg selbst. Als der am Freitagvormittag die neuen Corona-Maßnahmen verkündete, hatte er gleich die Schuldigen ausgemacht: die Ungeimpften, die sich "unsolidarisch gezeigt haben" und die dem Land (und ihm) den Lockdown und die Impfpflicht eingebrockt hätten.
Natürlich kann man politisch führen, indem man die eigene Bevölkerung beschimpft. Etwas mehr Selbstreflexion zeigte der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein: "Leider sind auch wir als Bundesregierung unseren Ansprüchen hinterhergeblieben", sagte er. "Ich möchte mich dafür entschuldigen."
Noch vor wenigen Tagen beteuerte die Regierungsspitze, es werde in Österreich keine Einschränkungen mehr für geimpfte Menschen geben. Jetzt sieht alles anders aus. Ab Montag befindet sich das Land im nächsten harten Lockdown. Und ab dem 1. Februar 2022 soll eine allgemeine Impfpflicht in Kraft treten. Österreich ist damit das erste Land in der EU, in dem die Corona-Schutzimpfung zur Bürgerpflicht wird. Wie genau das aussehen soll, weiß noch keiner, das Gesetzgebungsverfahren wird erst eingeleitet. Dass die Regierung nun aber zu solch drastischen Maßnahmen greifen muss, ist nicht nur die Schuld der Ungeimpften. Es ist das Ergebnis eines politischen Versagens.
Florian GasserLeiter Ressort Österreich-Seiten, DIE ZEIT
Der Lockdown für alle war nur eine Frage der Zeit. Der Grund, warum sich die ÖVP-Spitze trotzdem bis zuletzt dagegen aussprach, ist so banal wie fatal: Für Geimpfte wurde die Pandemie von Altkanzler Sebastian Kurz und von seinem Nachfolger Schallenberg bereits mehrfach für beendet erklärt. Der Lockdown wäre ein Eingeständnis des Scheiterns gewesen – deshalb wollte man ihn um jeden Preis verhindern, koste es, was es wolle. Man behalf sich mit gelinderen Mitteln, 2G wurde eingeführt und eine Woche später ein Lockdown für Ungeimpfte, von dem keiner wusste, wie er kontrolliert werden soll.
© Lea DohleNewsletter
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Das Schauspiel, das die österreichische Regierung zuletzt veranstaltete, war einer Spitzenpolitik unwürdig. Es war ein Gerangel ohne Sieger. Am vergangenen Sonntag verkündete Gesundheitsminister Mückstein in den Abendnachrichten, es werde eine nächtliche Ausgangssperre für alle geben – also auch für Geimpfte. Die Antwort des Koalitionspartners am nächsten Tag: Die Wortmeldung des Grünen sei überflüssig. Der Bundeskanzler signalisierte, der eigene Gesundheitsminister habe im Grunde nichts zu melden.
Für Sebastian Kurz gab es stets "uns" und "die anderen"Natürlich konnte das nicht lange gut gehen. In den vergangenen Wochen wurden täglich mehr Infektionszahlen gemeldet: 11.000, 13.000, 15.000. Noch nie gab es so viele Corona-Fälle in Österreich wie jetzt. Die Intensivstationen schlugen Alarm, Ärztinnen und Ärzte riefen nach Hilfe. In Salzburg wurde ein Triageteam gebildet und in Oberösterreich mussten Leichen in den Gängen des Krankenhauses abgestellt werden. Als sich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag die Konferenz der Landeshauptleute, der Bundeskanzler und der Gesundheitsminister am Achensee in Tirol trafen, wehrte sich Schallenberg anfangs zwar noch gegen einen Lockdown – doch er musste schließlich nachgeben.
Die Pandemie war für Österreichs Regierung von Anfang an ein Wettstreit. Es ging nicht nur darum, die Krise gut zu meistern, man wollte immer besser als andere sein. Für Sebastian Kurz gab es stets "uns" und "die anderen". Das SPÖ-regierte Wien war ein besonders beliebter Watschenmann. Als im vergangenen Jahr die Fallzahlen in der einzigen Großstadt des Landes wieder einmal stärker stiegen, bot der ÖVP-Innenminister großmütig "Hilfe" an. Seine Polizei könne doch bei der Kontaktnachverfolgung helfen, sagte er.
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