A RetroSearch Logo

Home - News ( United States | United Kingdom | Italy | Germany ) - Football scores

Search Query:

Showing content from https://www.zeit.de/politik/2022-08/markus-soeder-akw-laufzeit-bayern-energiepolitik-5vor8 below:

Website Navigation


Markus Söder: Leute, ich hab' da was verazzt!

Markus Söder: Leute, ich hab' da was verazzt!

Das Poltern des bayerischen Ministerpräsidenten ist erbärmlich. Statt längere Laufzeiten für AKW zu fordern, sollte Söder sein energiepolitisches Versagen einräumen.

5. August 2022, 7:54 Uhr

Immer wenn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit dem Rücken zur Wand steht, fährt er eine Attacke. Frei nach dem Motto: Wer laut ist, kann nicht gleichzeitig völlig im Unrecht sein. Er hat den Mechanismus oft genutzt. Auch, weil der sogar funktioniert, wenn das Publikum den Braten riecht. Und das wiederum liegt daran, dass Söder ein Meister einer ganz speziellen Disziplin ist: der Aufmerksamkeitsablenkungstrickserei.

In dieser Woche konnte man das wieder mal exemplarisch beobachten. Da schaffte es Söder mit einem Besuch im bayerischen Kernkraftwerk Isar 2 bei Landshut am Mittwoch in fast alle Medien. Ein dpa-Foto dokumentiert, wie er mit dem CDU-Chef Friedrich Merz irgendwo zwischen grünen Bäumen langläuft (Subtext: zwei ernsthafte Staatsmänner ins Gespräch vertieft). Ein anderes zeigt ihn auf einer Bühne vor dem Kühlturm (Subtext: Wir kümmern uns um eure Energieversorgung). Hören oder lesen kann man dann, wie Söder fordert, dass die deutschen AKW weiterlaufen sollen. An Neuigkeiten produziert die Pressekonferenz also genau nichts, null, niente. Der Politiker wiederholt, was er schon seit Wochen sagt, nur vor einer neuen Kulisse. Und trotzdem berichten viele Medien. Manche fügten noch hinzu, dass der Grüne Jürgen Trittin den Auftritt für Propaganda hielt und hatten damit gleich noch eine Gegenmeinung. Herrlich, so ein Sommertheater.

Was in den vielen Berichten allerdings unerwähnt blieb – und wovon Söder seit Tagen auch mithilfe solcher Auftritte immer wieder geschickt ablenkt – ist sein komplettes Versagen in der bayerischen Energiepolitik. Richtig gelesen: Es gab und gibt nicht nur eine deutsche, sondern auch eine bayerische Energiepolitik, so wie es eine nordrhein-westfälische oder eine schleswig-holsteinische gibt. Um mit Letzterer anzufangen (Achtung, jetzt wird es kurz mal technisch): Schleswig-Holstein hat schon vor ein paar Jahren damit angefangen, die Windenergie energisch auszubauen. Deswegen sind die Stromerzeugungskosten dort heute niedrig und es gibt viel Strom – mehr als verbraucht werden kann. Dieser Strom könnte im Norden längst deutlich billiger verkauft werden, als es in der Realität der Fall ist, gäbe es nicht in Deutschland einen einheitlichen Großmarktstrompreis, sondern einen für den Norden und einen für den Süden. Möglich wäre das, aber es ist politisch bisher nicht gewollt. Dieser gemeinsame Preis ist unter anderem wegen der Bayern, wo es wenig Strom gibt, ziemlich hoch. 

Newsletter

Fünf vor acht

Abonnieren Sie die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE – von Montag bis Freitag per E-Mail.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Man könnte also sagen: Die Norddeutschen sind schon seit Jahren mit den Bayern solidarisch. 

Doch die Geschichte der norddeutschen Energiesolidarität mit dem Süden geht noch weiter: Der viele grüne Strom könnte ja auch vom Norden in den Süden fließen, um dort die Menschen und die Industrie klimafreundlich zu versorgen. Bayern könnte am Stromüberfluss im Norden teilhaben, hätte nicht Herr Söder einst höchstpersönlich den Ausbau von Stromtrassen gebremst. 

Vielleicht hat der bayerische Ministerpräsident ja mal geglaubt, dass die Energiewende irgendwie eine Sache von und für andere ist und nichts für Bayern? Das würde zumindest erklären, warum in Bayern in jüngerer Zeit fast keine Windräder mehr gebaut wurden. Strom kommt aus der Steckdose, oder Herr Söder?

Solidarität ist keine Einbahnstraße, die von Berlin nach Bayern führt

Tempi passati, wir machen alle Fehler. Klar ist jedenfalls: Bayern hat wegen der verfehlten Energiepolitik jetzt ein gravierendes Problem. Es muss für seine Stromversorgung schon jetzt mehr teures Gas verfeuern als andere und das wird im Winter noch schlimmer. Klar ist aber auch: Wenn Bayern ein Problem hat, hat auch die Bundesrepublik eines. So viel Solidarität sollte schon sein. Genau deswegen sucht man in der Bundesregierung derzeit nach Lösungen für das ganze Land und damit auch für den Süden.

Nur, Solidarität ist keine Einbahnstraße, die von Berlin nach Bayern führt. Und sie würde zudem deutlich leichter fallen, würde Markus Söder nicht jede Woche wieder mit dem Finger auf das vermeintliche Versagen der Bundesregierung zeigen – sondern irgendwann auch mal zugeben: Leute, ich hab' da was verazzt! Ich habe in der Energiepolitik Fehler gemacht. (Und wenn in Berlin etwas falsch gelaufen ist, dann hat auch daran die CSU eine Mitschuld, denn die war bis vor Kurzem mit an der Macht.) Doch weit gefehlt, Söder tritt stattdessen auf wie jemand, der die Klischees über sein Land längst mit der Wirklichkeit verwechselt und zur Grundlage seines Handelns macht. 

Mit den Klischees über Regionen ist das ja so eine Sache. Die lernt man irgendwann als Kind und stellt sie dann oft nicht mehr infrage. Für Bayern gilt, dass das Wetter dort meistens besser ist als anderswo und die Landschaft schöner. Dass die bayerischen Politiker zwar etwas skurril sind, aber irgendwie doch vorausschauend handeln. Ach ja, und dass die Bayern besser mit Geld umgehen können.

Das letzte Klischee, das mit dem sorgsamen Geldausgeben, wird gerade zerschreddert, weil die neue Münchner S-Bahn langsam den Berliner Flughafen ablöst. Die Kosten laufen komplett aus dem Ruder. Das Klischee mit der funktionierenden Politik wird im Landtag zerlegt. Dort offenbart ein Untersuchungsausschuss immer wieder aufs Neue, wie in München in Corona-Zeiten besonders schmutzige Maskendeals liefen. Und das Klischee mit der Landschaft kriegt dank Herrn Söder gerade einen bitteren Beigeschmack. Unlängst erst hatte Söder nämlich gefordert, dass man doch bitte im Norden fracken sollte, also nach Gas suchen. 

Diese Technik ist bekanntlich für die Landschaft ziemlich doof, aber es geht ja auch nur um den Norden und ist daher nichts Neues – jedenfalls aus bayerischer Sicht. Denn für Bayern hat die Verlagerung von Energiedreck in andere Bundesländer schon in der Vergangenheit gut funktioniert. Da mussten die anderen, die Nordrhein-Westfalen, die Saarländer und die Brandenburger die ökologische Last des Kohleabbaus hinnehmen, die Feinstaubbelastung, das Quecksilber in der Luft, die kaputten Landschaften. Da wurde ein Endlager für Atommüll natürlich nicht in Bayern gesucht. Und genau so soll es – frei nach Söder – wohl auch in Zukunft weitergehen. 

Die entscheidende Frage dabei ist, wie lange kommt er damit noch durch? Die Antwort darauf hängt wiederum davon ab, wie lange er für sein Kasperletheater noch ein Publikum hat, das sich vor allem unterhalten und nicht informieren will.

Das Klischee mit dem besseren Wetter in Bayern stimmt übrigens – noch.


RetroSearch is an open source project built by @garambo | Open a GitHub Issue

Search and Browse the WWW like it's 1997 | Search results from DuckDuckGo

HTML: 3.2 | Encoding: UTF-8 | Version: 0.7.3