Wladimir Lenin hat die Sowjetunion gegründet, und nach seinem Tod im Januar 1924 wurde dort ein Heldenkult um ihn betrieben. Doch das ist lange her.
In jenen Teilen Deutschlands, in denen der Leninismus einst Staatsdoktrin war, weht heute ein anderer Wind, wie die Prognosen für die Bundestagswahl zeigen. Und der russische Präsident Wladimir Putin scheint sich zwar nach der imperialen Größe seines Vorgängers zu sehnen, hat über den Mann selbst aber nicht viel Gutes zu sagen. Wenige Wochen nach Lenins 100. Todestag behauptete Putin in einem Interview, Lenin habe die Ukraine erfunden. Jenes Land also, das Putin seit bald drei Jahren mit Bomben und Soldaten auszulöschen versucht.
Jetzt die Preisfrage: Was bitte hat das Team des Medizinhistorischen Museums im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) geritten, ausgerechnet diesem Wladimir Lenin eine neue Sonderausstellung zu widmen? Ist ein weniger populäres Thema vorstellbar? Und was hat Lenin mit Hamburg zu tun?
Zumindest diese letzte Frage kann man dank der Arbeit von dem Medizinhistoriker Philipp Osten und seinem Team zweifelsfrei beantworten. In der Ausstellung "Lenins Tod. Eine Sektion" ist es zu erleben. Falls Sie vor der Bundestagswahl noch mal auf andere Gedanken kommen wollen, kann ich den Besuch sehr empfehlen.
Als Lenin nach einem schweren Schlaganfall im März 1923 halbseitig gelähmt und seiner Sprache beraubt war, telegrafierten seine Mittelsmänner nach Eppendorf. Sie bestellten Max Nonne, einen damals berühmten Neurologen. Nonne reiste nach Moskau und untersuchte den Patienten, davon zeugt nicht zuletzt die Krankenakte Lenins, die sich bis heute im Archiv des UKE befindet.
Die Wahl dieses Arztes war heikel. Nur wenige Jahre zuvor – nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des Kaiserreichs – waren deutsche Revolutionäre über den Campus des UKE gezogen und hatten Nonne gesucht, um ihn zu erschießen. Unter Soldaten hatte der Arzt einen schlechten Ruf, denn er behandelte Männer, die traumatisiert von der Front nach Hause kamen, mit Stromschlägen. Nonne legte Wert darauf, dabei nicht zimperlich zu sein, das bezeugen seine Aussagen. Offenbar hielt er die "Kriegszitterer", wie man sie damals nannte, für Simulanten.
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Auch der Hamburger Kunstwissenschaftler Aby Warburg befasste sich mit Lenin und dessen Tod. Warburg ist bis heute dafür bekannt, dass er nicht nur Gemälde untersuchte, sondern auch Bilder der aufkommenden Massenkultur. Die Briefmarke, mit der man in der Sowjetunion des Todes Lenins gedachte, hatte es Warburg dabei besonders angetan. Er nannte sie "ein Kunstwerk allerersten Ranges" und "eine illustrierte Traueranzeige von höchster Wucht".
Max Nonne und Aby Warburg kannten sich übrigens, sie waren zusammen aufs Johanneum gegangen, allerdings ohne Freunde zu werden. Warburg war Jude und Nonne sagte von sich, er sei "schon als Knabe auf der Schule" Antisemit gewesen.
Die Ausstellung im Medizinhistorischen Museum erzählt also nicht nur von Lenin, sondern von zwei sehr unterschiedlichen Hamburgern. Außerdem geht es um Medizin und ihre politischen Verstrickungen, um Hirnforschung, Heldenkult und Ikonografie. Mit zwei Räumen ist "Lenins Tod" gar nicht mal so groß, aber reich an historischen Fundstücken und Querverweisen.
Das Medizinhistorische Museum ist grundsätzlich geöffnet am Mittwoch, Sonnabend und Sonntag von 13 bis 18 Uhr sowie heute auch für einen Besuch nach Feierabend von 18 bis 20 Uhr. Museumsdirektor Philipp Osten wird für eine Einführung vor Ort sein, der Eintritt ist heute frei.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Wahlwochenende,
Ihr Oskar Piegsa
PS: Wer wird der nächste Kanzler? Welche Partei schafft es an die Spitze – und welche über die Fünf-Prozent-Hürde? Unsere Kolleginnen und Kollegen von ZEIT ONLINE berichten am Sonntag im Video-Livestream über die Bundestagswahl. Zu Gast sind Michel Friedman, Jutta Allmendinger, Carolin Emcke, Steffen Mau und ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Sie können mitdiskutieren: Schicken Sie uns dafür noch vor der Sendung hier Ihre Fragen.
Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an hamburg@zeit.de.
WAS HEUTE WICHTIG ISTDie Opposition in der Bürgerschaft erhebt zum Ende des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses schwere Vorwürfe gegen die SPD. Die Fraktionen von CDU, Linker und AfD schreiben, dass sie es für bestätigt halten, dass Olaf Scholz als Bürgermeister sowie Peter Tschentscher als sein Finanzsenator Einfluss auf die Verwaltung genommen haben, um Banken, die in kriminelle Cum-Ex-Geschäfte verwickelt waren, zu schonen. SPD und Grüne waren nach vier Jahren Ausschussarbeit zum gegenteiligen Ergebnis gekommen und sehen keine Belastung von Scholz und Tschentscher. SPD-Obmann Milan Pein hatte der Opposition "Polittheater statt verantwortungsvolle Aufklärung" vorgeworfen.
© Gregor Fischer/dpaDie CDU fordert eine "Express-Abschiebehaft" am Flughafen. Die Vorstellung von Spitzenkandidat Dennis Thering: Bis zu 500 Haftplätze für ausreisepflichtige Personen. Die SPD sprach von einer populistischen Forderung und einem "Konjunkturprogramm für die AfD". Von der AfD wurde die CDU-Forderung als "billiger" Versuch bezeichnet, in ihrer Wählerklientel "Stimmen abzugreifen". Laut Innenbehörde übersteige die von Thering genannte Zahl bei Weitem den Bedarf. Mit 1.700 Abschiebungen im vergangenen Jahr habe Hamburg die Zahl auch bereits deutlich gesteigert. Unser Pressefoto zeigt Thering während einer Diskussionsveranstaltung in diesem Monat.
Der Landeswahlleiter warnt vor einem Fake-Video zur Bundestagswahl. Auf Social-Media-Kanälen wie X (vormals Twitter) wird demnach ein Video verbreitet, das angeblich zeigt, wie Briefwahlunterlagen aus Hamburg geöffnet und im Falle einer Wahlstimme für die AfD geschreddert werden. Dieses Video ist nicht authentisch. Es handele sich um einen "perfiden Versuch, unsere demokratischen und freien Wahlen zu delegitimieren", sagte Wahlleiter Oliver Rudolf. Er veröffentlichte eine Liste von Merkmalen, anhand derer sich jeder selbst überzeugen könne, dass das Video inszeniert sei. Nach Angabe der Innenbehörde ermittelt der polizeiliche Staatsschutz in dem Fall.
In aller Kürze• Im vergangenen Jahr gab es 837 Firmeninsolvenzen, teilte der Informationsdienstleister Crif mit. Das entspricht einer Zunahme von 25,8 Prozent • Nach Einschätzung der Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) können im besten Fall Ende der 2030er-Jahre Autos über die neue Köhlbrandbrücke fahren. Bisher war von einer Verkehrsfreigabe im Jahr 2042 die Rede • Aus den Polizeimeldungen: Unbekannte haben das Haus des Bürgerschaftsabgeordneten Claus Schülke (AfD) mit roter Farbe beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt. Und an den Landungsbrücken zeigte ein Mann den Hitlergruß und attackierte mit seinen Begleitern zwei Passanten. Die Täter konnten fliehen
AUS DER HAMBURG-AUSGABE Gefällt nicht allenEmilia Fester (Grüne) ist Bundestagsabgeordnete aus dem Bezirk Mitte. Auf TikTok und Instagram wirbt sie für ihre Partei – und erhält dafür auch Hassnachrichten. ZEIT:Hamburg-Redakteurin Annika Lasarzik hat sie getroffen.
Schnell noch ein Foto für Instagram machen, eines, das nicht gestellt wirkt. Nur wie? Emilia Fester, Hamburger Bundestagsabgeordnete der Grünen, verteilt in Dulsberg Flyer vor einem Supermarkt. Es ist einer dieser zähen Winterwahlkampftermine, kaum jemand ist unterwegs, niemand bleibt stehen. Da macht Fester einen schwungvollen Ausfallschritt und hält einer Parteifreundin aus ihrem Tross einen Flyer hin. "Na, kann ich Sie heute überzeugen?" Beide lachen, Festers Pressesprecher drückt auf den Auslöser. Das Foto bringt wieder ein paar Likes, ein paar üble Kommentare, ein paar neue Follower.
Nach der Bundestagswahl 2021 zog die damals 22-Jährige als jüngste Abgeordnete in den Bundestag ein. Ihr Alter brachte ihr sehr viel Aufmerksamkeit ein, alle großen Zeitungen und Magazine druckten Porträts, sogar die BBC fragte ein Interview an. Noch mehr Beachtung aber fand ein anderes Thema: ihr Talent, sich selbst Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Selbstdarstellung gehört zur Politik, das war schon immer so und gilt in Zeiten von Social Media umso mehr. Markus Söder singt auf Instagram Weihnachtslieder, Olaf Scholz zeigt auf TikTok den Inhalt seiner Aktentasche, und "Hi, ich bin Robert"-Habeck lässt sich bei Küchentisch-Gesprächen mit Wählerinnen und Wählern filmen. Allzu oft wirken diese Videos inszeniert und sehr gewollt authentisch. Emilia Fester geht die Sache anders an.
Scrollt man durch ihren Instagram-Feed, so sieht man sie angriffslustig mit verschränkten Armen vor dem Hamburger Rathaus stehen, mit dem Longboard auf einer Halfpipe oder wie sie dem Bundesverteidigungsminister die Hand schüttelt. In einem Video rollt Fester lachend über den Fußboden und bewegt die Lippen zu einem Kelly-Clarkson-Song: "Here I am, once again", in einem anderen springt sie ins Bild und ruft: "Hey Leute, wir unterschreiben jetzt einen Antrag." Sie zieht Grimassen, lacht, schmollt, rollt die Augen, macht Faxen und spricht nebenbei über politische Themen. Manche stören sich an diesem Auftreten. Fester erlebt auch Shitstorms, bekommt Hassnachrichten und Morddrohungen, als einfache Abgeordnete.
Ob es das wert ist, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung dieses Artikels auf ZEIT ONLINE.
DER SATZ © Christian Charisius/dpa"Der Sturm. Die Abwehr. Der HSV"
In dieser Saison könnte der HSV endlich … Ach, wem machen wir hier etwas vor? ZEIT:Hamburg-Redakteurin Viola Diem hat Gründe zusammengetragen, warum der Verein den Aufstieg in die Erste Liga wieder verpatzen wird. Drei davon stehen oben, acht weitere hier.
MAHLZEIT - Die GastrokritikDie Markthalle im Oberhafen bietet keine Schnäppchen, dafür eine unerreichte Auswahl an Lebensmitteln aus der Region. Die Hobenköök, also Hafenküche, ist das zugehörige Restaurant, betrieben von Thomas Sampl, einem Pionier der neuen norddeutschen Küche. Seine Köche tun, was naheliegt, und nutzen das Angebot der hier vertretenen Erzeuger. Daraus machen sie Klassiker wie Pannfisch oder etwas veredeltes Labskaus, aber mittlerweile auch weltläufigere Gerichte. Beim Rindertatar ahnt man die hohe Fleischqualität. Sie hat es nicht leicht gegen die quietschsauer marinierten Buchenpilze. Aber malziges Buttermilch-Schwarzbrot und geraspelter norddeutscher Hartkäse bringen genug Ruhe hinein.
Die Tagesempfehlung erinnert an den frühen Sampl, als er noch im Vlet kochte: eine glasig gegarte Garnele im Amaranthmantel mit feiner Krustentiermayonnaise und Granatapfel-Sud. Ein sehr puristischer Gang, der gekonnt, aber ein bisschen spröde ist. Man nickt andächtig beim Essen, zum Strahlen bringt es einen nicht. Der Hauptgang hat wiederum einen ganz anderen Charakter: Wildschweinnacken ist kein Fleisch für Leute, die sonst Putenbrust essen. Das Fleisch sehr fest und intensiv, die Holundersauce tiefdunkel. Doch am stärksten wirkt die winterliche Gemüsemischung aus Schwarzwurzeln und bissfestem Rosenkohl, verstärkt durch knusprige Kastanien.
Was für die ganze Markthalle gilt, das gilt auch für die Küche: Man weiß nie so ganz, was einen erwartet, aber findet genug, das Freude macht. In diesem Sinne lohnt auch ein Besuch in der wohlverborgenen Weinbar am Ende der Halle.
Michael Allmaier
Stockmeyerstraße 43 (HafenCity) · Tel. 22865538
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUENBei einem Ausflug nach Uetersen lohnt sich ein Besuch des Museums Langes Tannen. Dort ist die Ausstellung "Der Sehnsuchtsort an der Nordspitze Dänemarks" zu sehen. Gezeigt werden etwa 70 Werke von "Skagen-Malern", die sich um 1880 in den Sommermonaten in dem Fischerdorf trafen. Unter anderem sind Werke von Anne und Michael Ancher, P. S. Kroyer und Viggo Johansen zu sehen, sie bildeten für einige Jahre eine Art Künstlerkolonie in Skagen. Alle schwärmten von dem Licht im Norden und widmeten sich dort überwiegend der Freilichtmalerei.
"Der Sehnsuchtsort an der Nordspitze Dänemarks", bis 23. März, Mi + Sa 14–18 Uhr, So 11–18 Uhr; Museum Langes Tannen, Heidgrabener Straße 1, 25436 Uetersen; weitere Infos
MEINE STADT Abendliches Treffen der Kräne © Lutz Metterhausen HAMBURGER SCHNACKAuf dem Wochenmarkt. Marktverkäufer: "Aromatische neue Erdbeeren! Eine Schale 3,90, zwei Schalen 6 Euro!"
Kunde: "Du musst aber noch ein bisschen Nachhilfe in Mathe haben."
Marktverkäufer: "Weiß ich, aber hier merkt das keiner."
Gehört von Barbara Gehrung
DIE HEUTIGE AUSGABE ZUM VERTIEFTEN LESENGefällt nicht allen (Z+) – Wie Emilia Fester auf TikTok und Instagram Politik macht – und welche Folgen das für sie hat.
Abwehr, Angriff, Aberglaube (Z+) – In dieser Saison könnte der HSV endlich … Ach, wem machen wir hier etwas vor? Elf Gründe, warum der Verein den Aufstieg in die Erste Liga wieder verpatzt.
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