da vorne wird es etwas rutschig, wir sind auf unserer Reise durch die Wahlprogramme bei der Hamburger AfD angelangt. Eine Eigenschaft dieser Partei irritiert mich: Die AfD ist beleidigt, wenn sie den Eindruck hat, nicht wie alle anderen Parteien behandelt zu werden. Macht man aber genau das, ist es auch nicht genehm. Neulich wies die AfD etwa einige unserer harmloseren Fragen zu ihrer Partei als "tendenziös" zurück (Z+), statt eine klare Antwort zu geben.
Nun kennen Sie die harten Worte, mit denen die AfD sonst im Land um sich wirft, gegen politische Gegner oder gegen Asylbewerber. Da fällt mir wieder meine Grundschulzeit ein, da gab es einen Jungen, der mit Hingabe die Parallelklasse ärgerte, aber selbst schnell in Tränen ausbrach. Ich vermute, er ist heute Boxer und kann wie die AfD brutal austeilen, bloß schlecht einstecken.
Schauen wir also darauf, welche Alternativen die AfD für diese Stadt anbietet. In der Migrationspolitik, Sie ahnen es, wird es da bald drastisch: Dänemark habe "äußerst positive Erfahrungen mit der zentralen Unterbringung von Asylbewebern gemacht", schreibt die AfD. "Vor allem illegale Migranten bringt die sozialdemokratische Regierung Dänemarks auf der Ostseeinsel Lindholm unter." An dem Vorbild wolle man sich orientieren. Auf meine Nachfrage, was das bedeutet, bekam ich, das sei erwähnt, eine freundliche Antwort von Krzysztof Walczak aus der AfD-Bürgerschaftsfraktion: "Hamburg hat ja mit Neuwerk auch eine eigene Insel."
Das Problem ist nur: So ziemlich alles, was die AfD da schreibt, ist wohl falsch. Vor sieben Jahren hatte die damalige Regierung in Dänemark zwar Pläne, straffällige Asylbewerber auf Lindholm unterzubringen, aber als die Sozialdemokraten im Jahr 2019 übernahmen, legten sie die Pläne ad acta. Das las ich in dänischen Medien und rief meinen Kollegen Troels Heeger von der traditionsreichen Zeitung Berlingske an. "Das hat nie stattgefunden", bestätigt Heeger. Immerhin ist Neuwerk tatsächlich eine Insel und gehört zu Hamburg.
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Als ich gestern Nachmittag erneut bei der AfD anfragte, was da los war, erhielt ich keine Antwort mehr. Die Partei fordert im Wahlprogramm auch den Stopp des Bauprojekts "Burstah Ensemble" in der City, das, nun ja, schon seit dem Jahr 2023 fertiggestellt ist. Zur Erklärung heißt es von der AfD, eine "ältere Dame" aus der Partei hätte noch erwirkt, die Forderung zu streichen. Trotzdem sei sie "bei der Endredaktion durchgerutscht".
Man prüfe jetzt, ob sich die Passage vor der Wahl noch ändern lasse. Wenn Sie schon dabei sind, liebe AfD: Das benachbarte Mahnmal St. Nikolai wird mit k geschrieben, nicht mit c.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein entspanntes Wochenende und bis bald!
Ihr Christoph Heinemann
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WAS HEUTE WICHTIG IST
© Patrick Pleul/dpaIn Hamburg verdienen Frauen nach wie vor deutlich weniger Geld als Männer. Der Unterschied zwischen dem Bruttoverdienst pro Stunde lag im vergangenen Jahr bei 5,15 Euro oder 18 Prozent. Damit haben Männer 2024 durchschnittlich 29,29 Euro pro Stunde verdient, bei den Frauen standen 24,14 Euro pro Stunde auf dem Zettel. Hamburg liegt damit mit Blick auf den sogenannten Gender-Pay-Gap über dem bundesweiten Durchschnitt, der einen Unterschied von 16 Prozent ausweist.
Die Universität Hamburg hat die Plagiatsvorwürfe gegen den Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck auch in einer zweiten Prüfung entkräftet. Diese habe das Ergebnis der ersten Prüfung bestätigt, teilte die Hochschule mit. Es gebe kein wissenschaftliches Fehlverhalten. "Dieses Ergebnis wurde Dr. Robert Habeck schriftlich mitgeteilt, wobei die Empfehlungen zur Überarbeitung bestimmter Zitate und Fußnoten der Dissertation um einzelne Stellen ergänzt wurden."
In den nächtlichen Stunden bietet der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) Fahrgästen künftig eine Begleitung am Telefon an. Wer sich während der Fahrt in Bussen und Bahnen unsicher fühle, könne sich ab sofort kostenlos unter der Nummer 0800 4648 4648 an das Heimwegtelefon wenden, teilte der HVV mit. Geschulte Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner würden Fahrgäste dabei persönlich begleiten und könnten ein beruhigendes Gefühl vermitteln.
Nachricht des Tages
© Christian Charisius/dpaDie neue Kriminalstatistik der Polizei weist vier Prozent weniger Straftaten in Hamburg, aber einen erneuten Anstieg der Gewaltkriminalität aus. Insgesamt wurden 224.913 Fälle erfasst, 9.328 weniger als im Jahr davor. Die Aufklärungsquote sank leicht auf 47,9 Prozent (48,2 Prozent im Vorjahr).
Der positive Gesamttrend geht unter anderem auf die Legalisierung von Cannabis zurück. Allein dadurch sei die Zahl der Rauschgiftdelikte um rund ein Drittel (5.709 Taten) gesunken. Innensenator Andy Grote (SPD) verwies auch auf neue Sicherheitsmaßnahmen, etwa am Hauptbahnhof, und hohe Polizeipräsenz. Besonders stark ging die Zahl der Straftaten gegen das Leben, also Mord und Totschlag, zurück: 40 Fälle wurden im Jahr 2024 erfasst, ein Rückgang von fast 46 Prozent.
Die gesamte Gewaltkriminalität, die unter anderem auch Fälle von Körperverletzung umfasst, stieg dagegen um 7,2 Prozent an. Die Polizei registrierte 8.998 Taten, davon wurden 77 Prozent in den beiden Stadtteilen St. Pauli und St. Georg verübt. Die Zahl der Messertaten blieb mit 1.266 (Vorjahr: 1.269) nahezu unverändert. In 117 Fällen wurde bei Gewalttaten eine Schusswaffe eingesetzt. 53-mal wurde geschossen, 64-mal nur gedroht.
Die Polizei erfasste 3.259 Sexualstraftaten, 3,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Unter den Taten seien zahlreiche Fälle von Exhibitionismus, sexueller Belästigung und Verbreiten von Kinderpornografie. Die Zahl der erfassten Vergewaltigungen stieg um 8,8 Prozent oder 23 Fälle auf 285 Taten. Knapp die Hälfte der Vergewaltigungen wurde bereits 2023 oder noch früher verübt.
In die Kriminalstatistik fließen nur die Fälle ein, in denen die Ermittlungen im jeweiligen Jahr abgeschlossen worden sind. Die Aussagekraft der Daten ist deshalb begrenzt. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert, dass Hamburg unter anderem bei Angriffen mit Schusswaffen ein massives Problem habe. Eine Recherche zu dem Thema lesen Sie hier. (Z+).
In aller Kürze
• Der Warnstreiktag im öffentlichen Dienst in Hamburg hat teils zu Einschränkungen des Alltags geführt. 28 Prozent der Kindertagesstätten des größten Kita-Trägers der Stadt, Elbkinder, blieben geschlossen – 68 Prozent boten eine Notbetreuung an • Mehr als zwei Monate nach einem Raub mit schwerer Körperverletzung in Hamburg-Tonndorf ist einer von zwei Tatverdächtigen gefasst worden. Umfangreiche Ermittlungen hätten auf die Spur zweier junger Männer im Alter von 22 und 23 Jahren geführt, teilte die Polizei mit
THEMA DES TAGES
© Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH)"Es ist ein großer Wissenschaftler gestorben"
Der Unfalltod des Historikers Thomas Großbölting hat große Bestürzung ausgelöst. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Artikel von Tom Kroll und Oskar Piegsa.
Wie Thomas Großbölting seine Aufgabe als Historiker verstand, das konnte man Ende Januar erleben, bei einem Auftritt, von dem niemand ahnte, dass es einer der letzten des 55-Jährigen werden würde. Im Hörsaal des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, einem altehrwürdigen, dunkel vertäfelten Raum hoch über dem Hamburger Hafen, saß das Publikum dicht gedrängt. Der Vorstand des Instituts wünschte sich Klarheit darüber, ob man den Namen des Kolonialmediziners Bernhard Nocht ablegen sollte, und hatte bei Großbölting ein Gutachten bestellt.
Thomas Großbölting war nicht irgendein Historiker. Er war der Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und ein bundesweit renommierter Wissenschaftler. Doch er trat an diesem Abend nicht allein vors Publikum, und er hielt auch keine donnernde Rede am Stehpult, nach der ein für alle Mal Klarheit herrschte über den Gegenstand seiner Forschung.
Stattdessen kam er in Begleitung und teilte die Bühne mit einem jüngeren und weit weniger bekannten Kollegen, der ebenfalls zu Nocht geforscht hatte. Die beiden setzten sich gleichberechtigt nebeneinander und präsentierten in einem sorgfältig vorbereiteten Zwiegespräch ihre Erkenntnisse. Sie machten deutlich, wo ihre Interpretationen sich unterschieden, und betonten doch immer wieder die Gemeinsamkeiten ihrer Befunde.
Sollte man das Institut nun umbenennen oder nicht, fragte anschließend die Moderatorin. "Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, geschichtspolitische Entscheidungen zu treffen", antwortete Großbölting höflich. Er wehre sich gegen eine "Talkshow-Logik", die vorsehe, dass man entweder für eine Sache spreche oder gegen sie. Seine Aufgabe sei es, ein differenziertes, durch historische Quellen gestütztes Bild zu zeichnen, um den Verantwortlichen eine Entscheidungsgrundlage zu bieten. "Als Historiker fundieren wir die Diskussion", sagte Großbölting: "Wir beenden sie nicht."
Wenige Wochen später, am vergangenen Dienstagnachmittag, saß Thomas Großbölting im ICE 613 aus Hamburg in Richtung München. Er war unterwegs nach Köln, wo man ihn am Abend zu einer Diskussionsveranstaltung erwartete. Kurz hinter Harburg, dem südlichsten Bahnhof von Hamburg, prallte der Zug gegen einen Sattelschlepper, der mit tonnenschweren Stahlschienen beladen war. Der Fahrer des Lastwagens hatte eine Schrankenanlage passiert, doch ein Teil seines Anhängers ragte noch ins Gleisbett. Der ICE kollidierte mit ihm ungebremst. Thomas Großbölting starb. 25 weitere Menschen wurden verletzt, einige davon schwer.
Wie sich Professorenkollegen und frühere Studierende an Thomas Großbölting erinnern, lesen Sie in der ungekürzten Fassung dieses Artikels auf ZEIT ONLINE.
DER SATZ
© Marcus Brandt/dpa"Die Behörden müssen deshalb jede Mietzahlung, jeden Schulausflug, jeden Sportvereinsbeitrag prüfen und einzeln auf die Karte buchen – was für die Betroffenen langwierig und entwürdigend ist."
Seit einem Jahr gibt es statt Bargeld eine Bezahlkarte für Asylsuchende. Sie gehört abgeschafft, findet ZEIT:Hamburg-Autor Christoph Twickel – seinen ganzen Kommentar lesen Sie hier.
MAHLZEIT – Die Gastrokritik
Die Hegemonie der Hamburger Fernsehköche geht ihrem Ende entgegen. Manche Stars der Zehnerjahre sind nach der Pandemie kürzergetreten, andere gar nicht mehr in Stadt. Die große Ausnahme ist Cornelia Poletto. Sie hat ihr Klein-Italien in der Goernestraße langsam, aber stetig ausgebaut, mit Kochschule, Bar und Deli. Das Ristorante selbst ist nicht mehr so überbucht wie vor Jahren noch, doch weiterhin gut gefüllt.
Zu Recht – auf die Küche hier ist Verlass, trotz wechselnder Küchenchefs. Felix Neumann, der kürzlich erst von Karl Weber übernahm, setzt die bewährte Linie fort: italienisch remixed, könnte man sagen. Ein gutes Beispiel sind die Tagliatelle vom Thunfisch. Keine Pasta weit und breit. Der Fisch selber, roh mariniert, wurde bloß in eine Form geschnitten, die mit etwas Wohlwollen an Tagliatelle erinnert. Geschmacklich entspricht das Ganze eher einer Ceviche, allerdings mit bitterem Puntarelle-Salat und sauren Apfelnoten.
Auch die Antipasti sind nicht ganz das, was man kennt. Recht klassisch noch das Vitello tonnato, bei dem die Thunfischsauce allerdings beinah ein Schaum ist. Das, zusammen mit Kräuterstaub und Limettenstücken, nimmt die Schwere aus diesem sonst oft etwas plumpen Gericht. Völlig frei assoziiert die Küche beim knusprigen Safranrisotto, einer Art Reis-Rösti mit Ossobuco-Kern und Gremolata-Crème. Schmeckt angenehm italienisch – mit neuem Mundgefühl.
Das Gegenteil gilt für die Spaghetti mit Helgoländer Hummer. Die Nudeln sind diesmal echt (und perfekt gegart), doch in der Tomatensauce stecken ganz fremde, indisch wirkende Aromen. Curryblätter? Vadouvan? Auf jeden Fall sehr gekonnt.
Interessant ist, welche Leute sich diese Küche gönnen. Es sind nicht mehr wie früher viele Touristen, die beim Essen um sich blicken in der Hoffnung, dass "Conny" sich zeigt. Stattdessen sind zumindest an diesem Abend die meisten Tische mit älteren Paaren besetzt, teils mit Kindern, vermutlich den Enkeln. Das Restaurant Cornelia Poletto ist ein Nachbarschaftslokal geworden.
Restaurant Cornelia Poletto, Eppendorfer Landstraße 80, Eppendorf. Tel. 4802159, www.cornelia-poletto.de
Michael Allmaier
Restaurant Cornelia Poletto, Eppendorfer Landstraße 80, Tel. 4802159
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Walter Fischer war der Sprayer OZ – seine Graffitis sind im Hamburger Stadtbild hunderttausendfach vertreten. Dem Künstler, der unter anderem wegen der Sprayerei zu insgesamt acht Jahren Gefängnis verurteilt war, ist eine neue Podcast-Serie von Sven Stillich und Kai Sieverding gewidmet: "OZ. Graffiti-Künstler. Schmierfink. Rebell." Sie haben zu dem Menschen hinter der Sprühdose recherchiert. Die fünf Folgen sind bereits in der ARD-Audiothek zu finden. Heute Abend findet die Premierenparty in der Juli Bar im Gängeviertel statt.
"OZ. Graffiti-Künstler. Schmierfink. Rebell.", 14.2., 19 Uhr; Jupi Bar im Gängeviertel, Caffamacherreihe 37–39; weitere Informationen
MEINE STADT
Hafenliebe © Kerstin BittnerHAMBURGER SCHNACK
Winterhuder-Marktplatz-Markt. Der circa sechsjährige Enkel: "Opa, geht ihr samstags immer auf den Markt?" – Der Opa: "Nein, sonnabends!"
Gehört von Maryke van de Sand
DIE HEUTIGE AUSGABE ZUM VERTIEFTEN LESEN
Auf die Plätze (Z+) – Hamburg wählt eine neue Bürgerschaft. Jetzt hat der Wahlkampf begonnen. Aber was ist überhaupt los bei den hiesigen Parteien? Ein Streifzug.
"Jeder hat jetzt einen Ballermann" (Z+) – Teenager sind beteiligt. Polizeibeamte warnen: Die Politik müsste längst alarmiert sein.
"Es ist ein großer Wissenschaftler gestorben" (Z+) – Der Unfalltod des Historikers Thomas Großbölting hat Bestürzung ausgelöst. Kolleginnen und Kollegen betrauern einen scharfsinnigen, akribischen und zugewandten Forscher.
Nichts als Schikane (Z+) – Seit einem Jahr gibt es statt Bargeld eine Bezahlkarte für Asylsuchende. Sie gehört abgeschafft.
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