jedes Jahr schwappt der Begriff der "Stauhauptstadt" durchs Land. Immer dann, wenn die beiden Verkehrsdatenunternehmen Inrix und TomTom nacheinander ihre Großstadtvergleiche veröffentlichen. Tatsächlich gemessen werden in diesen Vergleichen aber nicht die Zeiten, die Fahrer in echten Staus verlieren, sondern der Zeitverlust gegenüber dem Verkehr in einer theoretischen Parallelrealität, in der Autos zu allen Tageszeiten so vorankommen, wie sie es in Wirklichkeit nur in den Nachtstunden tun, wenn die Straßen frei und die Ampeln abgeschaltet sind.
Einflussfaktoren gibt bei diesen Vergleichen viele, etwa die örtlichen Verkehrsregelungen. Wo viele Tempo-30-Bereiche ausgewiesen sind, fällt die Differenz zwischen Stoßverkehr und theoretischer Höchstgeschwindigkeit kleiner aus als in Städten wie Hamburg, wo auf fast allen Hauptstraßen Tempo 50 gilt, das aber im Berufsverkehr kaum je erreicht wird.
Auch die Festlegung des Untersuchungsraums spielt eine Rolle: TomTom konzentriert sich auf vergleichsweise kleine Innenstadtbereiche, innerhalb derer sich im Fall Hamburgs die Außen- und Binnenalster sowie Teile der Norderelbe befinden und entsprechend wenig Verkehrsfläche zur Verfügung steht. Darum schneidet Hamburg bei TomTom gewöhnlich schlechter ab als bei Inrix, wo die Experten größere Stadtgebiete vergleichen.
Jedenfalls ist der Begriff "Stauhauptstadt" eine so grobe Verkürzung eines komplexen Sachverhalts, dass er mehr Falsches als Richtiges transportiert. Manche Medien und Oppositionspolitiker nutzen das, um vermeintliche Versäumnisse der jeweiligen Regierungen zu skandalisieren. In Hamburg tut sich besonders die CDU damit hervor. Der Begriff hat es bis ins Parteiprogramm für die Bürgerschaftswahl geschafft: "Hamburg ist gegenwärtig die Stauhauptstadt Deutschlands", heißt es da.
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Gestern war wieder Inrix-Tag. Und, schau an, die zweitgrößte Stadt Deutschlands kommt nicht einmal in die Nähe des dubiosen Titels "Stauhauptstadt", sondern landet mit 44 Stunden angeblichen Zeitverlusts auf Platz neun – weit hinter Düsseldorf (60 Stunden), Berlin und Stuttgart (beide 58), Köln (56), München (55) und Frankfurt am Main (48).
Das war aber noch nicht die Pointe. Die Pointe ist, dass die traditionelle Pressemitteilung der Hamburger CDU über die Ergebnisse von Inrix diesmal ohne den Begriff der "Stauhauptstadt" oder sonst irgendeinen Vergleich mit anderen Städten auskommt. Stattdessen steht da: "Im Jahr 2024 haben Hamburgs Autofahrer im Durchschnitt über fünf Arbeitstage im Stau verbracht." Das sei wertvolle Lebenszeit, "die durch die unzureichende Verkehrspolitik" des Senats verloren gegangen sei.
Haben Sie einen schönen Tag!
Ihr Frank Drieschner
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WAS HEUTE WICHTIG IST © Christian Charisius/dpaDie SPD hat ihren Wahlkampf für die Bürgerschaftswahl eröffnet. Er steht unter dem Motto "Hamburg vereint", gab die Partei gestern vor 270 geladenen Gästen im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof bekannt. Bürgermeister Peter Tschentscher erklärte: "Das ist der Kern unseres Programms: die Dinge zusammenzuführen." Seit 2011 führe seine Partei den Senat und verbinde dabei beispielsweise Wirtschaft mit Klimaschutz, Mobilität mit Stadtentwicklung sowie Freiheit mit innerer Sicherheit. Unterstützt wurde der Bürgermeister beim Wahlkampfauftakt von seinem Amtskollegen Michael Ludwig aus Wien.
Beim Brand eines Wohnhauses in Ottensen ist eine Frau lebensgefährlich verletzt worden. Eine weitere Person sei schwer verletzt worden, teilte die Feuerwehr mit. Auch in Lohbrügge hat es gebrannt. Dort stand am Montagabend der noch nicht fertiggestellte Neubau einer Grundschule in Flammen. Verletzt wurde niemand, doch es entstand ein hoher Sachschaden. Die Baukosten des abgebrannten Gebäudes wurden auf 12,8 Millionen Euro beziffert. In beiden Fällen war die Brandursache zunächst unklar.
Ab dem kommenden Jahr müssen frei laufende Katzen kastriert, gechippt und registriert werden. Das sieht die neue Katzenschutzverordnung vor, die der Senat gestern beschlossen hat. Ziel sei es, die unkontrollierte Vermehrung streunender Katzen zu verringern, da frei lebende Tiere oft in einem schlechten Gesundheitszustand seien. Die Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina (Grüne) sprach von einem wichtigen Instrument für den Tierschutz. In Hamburg gibt es mutmaßlich 10.000 frei lebenden Katzen.
In aller Kürze• Immobilienbesitzer müssen sich bei der neuen Grundsteuer auf eine Änderung der Hebesätze im Herbst einstellen • Auf dem Gelände des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis soll im Sommer 2026 eine psychiatrische Kurzzeitstation für Gefangene eröffnen • Und: Der Verlagssitz von Gruner + Jahr am Baumwall ist endgültig Geschichte. Der neue Eigentümer RTL teilte mit, den Umzug in die HafenCity abgeschlossen zu haben
THEMA DES TAGES Dreihundertfünfzig MillionenBraucht die Stadt Hamburg ein neues Opernhaus? Und darf sie es sich von Klaus-Michael Kühne spendieren lassen? Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Artikel von Florian Zinnecker, dem Ressortleiter der ZEIT:Hamburg.
Darum geht es doch, in der Politik wie in der Kunst: etwas zu sehen, was noch nicht da ist, und sich dann so lange nicht beirren zu lassen, bis es da ist. Es hilft also, schon einmal den Ort zu besichtigen, an dem bald Hamburgs neues Opernhaus, nun ja: stehen soll. Eröffnen wird. Gebaut werden könnte. Wann das geschieht, ist offen. Aber dass es so kommt, dessen sind sich die Menschen, die es wissen müssen, bemerkenswert sicher. Zuletzt jedenfalls.
Der Ort ist der Baakenhöft, eine jener länglichen Hafen-Halbinseln am nördlichen Elbufer. Bis vor ein paar Jahrzehnten wurden hier die Schiffe der Afrika-Linien be- und entladen, heute stehen die Kräne nur noch zur Dekoration am Kai, der Güterumschlag läuft längst über die vier gigantischen Containerterminals auf der anderen Elbseite. Hier, am Nordufer, prangt heute die HafenCity: teure, schicke Mehrfamilienhäuser mit Lofts direkt am Wasser, dazwischen eine Universität und ein Einkaufszentrum, das im nächsten Jahr eröffnen soll, so groß wie eine zweite Innenstadt. Und natürlich, drüben auf dem Sandtorkai, die Elbphilharmonie. Die ist vom Baakenhöft aus nicht zu sehen, sie liegt buchstäblich um die Ecke.
Der westliche Zipfel des Baakenhöfts ist eine der letzten unbebauten Flächen der HafenCity. Das heißt, nicht ganz, eine heruntergekommene Lagerhalle steht hier noch, die – nicht falsch, aber euphemistisch – "alter Kakaospeicher" genannt wird. Die Avantgarde-Kulturfabrik Kampnagel nutzt sie gelegentlich als Spielort, auch das Thalia Theater stellte hier einmal ein Theaterzelt auf, der Slogan des Gastspiels wittert noch an der Hallenfassade vor sich hin: "Einer für alle, alle für einen". Daneben eine Abfertigungshalle für kleinere Kreuzfahrtschiffe. Und ein Ufo, aber auch das heißt eigentlich anders: Lighthouse Zero, ein futuristischer Panorama-Bungalow auf einer schmalen, 20 Meter hohen Stelze, ein Prototyp für platzsparendes, hochwassersicheres Bauen.
Das alles, klar, müsste dann wohl weg. Praktischerweise ist man in Hamburg im Umgang mit Bestandsgebäuden nie besonders zimperlich. Stattdessen stünde da, wo rissiger Asphalt, ein paar Halme Unkraut und natürlich ringsum die Elbe übrig bleiben – ja, was? Ein Haus, in dem – das wäre der Anspruch – die Kunst zeigen darf, was sie kann, mit so wenig Limitierungen wie möglich. Auf einem Niveau, bitte schön, mit dem man sich international nicht zu verstecken braucht. Und nicht irgendeine Kunst, sondern die logistisch und technisch aufwendigste: Musiktheater in täglich wechselnder Repertoire-Bespielung.
Ob die Idee, in der HafenCity ein neues Opernhaus zu bauen, eventuell doch recht weitsichtig ist, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung dieses Artikels auf ZEIT ONLINE.
DER SATZ © [M] ZEIT ONLINE; Riese & Müller/ZEIT ONLINE"Kenner des E-Bike-Markts – und dazu gehören inzwischen weite Teile der Bevölkerung – wissen: Diese Räder bieten nicht nur besondere Features, sie rangieren auch am oberen Ende der Preisskala."
Wer auf Deutschlands Radwegen etwas auf sich hält, fährt Riese und Müller. ZEIT-Redakteur Zacharias Zacharakis fragt sich, ob die Luxus-E-Bikes ihren Status zu Recht haben. Seinen Artikel lesen Sie hier.
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIERENDie erste Ausstellung der neuen Kuratorin am Haus der Photographie, Nadine Isabelle Henrich, läuft noch bis zum 26. Januar im Phoxxi. In der ersten europäischen Einzelausstellung "Tactic and Mythologies" sind Arbeiten des New Yorker Künstlerduos Andrea Orejarena und Caleb Stein zu entdecken. In ihren Fotografien, einer Art "fotografischen Roadtrip", setzen sie sich mit viralen Verschwörungserzählungen auseinander und setzen ihnen eigenen Bilder entgegen.
"Viral Hallucinations #1. Tactics and Mythologies: Andreas Orejarena & Caleb Stein", bis 26.1.; Phoxxi, Deichtorstraße 1–2, Di–So 22–18 Uhr, jeden ersten Do im Monat 11–21 Uhr
MEINE STADT Waiting for the Summer © Heike Schröder HAMBURGER SCHNACKIm Supermarkt. Eine Mutter mit ihrem etwa achtjährigen Sohn. Dieser sieht eine Packung Erdbeeren, sagt "lecker" und stellt sie in den Einkaufswagen. Die Mutter nimmt die Erdbeeren aus dem Wagen: "Also, nein, es tut mir leid. Die mussten einen langen Weg bis hierher transportiert werden. Das ist nicht gut, weißt du? Ich esse keine Erdbeeren im Winter." Der Sohn stellt die Packung zurück in den Wagen und sagt: "Kein Problem, Mama, ich kann sie ja allein essen."
Gehört von Kally Peche
DIE HEUTIGE AUSGABE ZUM VERTIEFTEN LESENDreihundertfünfzig Millionen (Z+) – Das Geschenk: Braucht die Stadt Hamburg ein neues Opernhaus? Und darf sie es sich spendieren lassen? Jetzt wird ausgepackt.
Es fehlt nur der Stern auf dem Schutzblech (Z+) – Wer auf Deutschlands Radwegen etwas auf sich hält, fährt Riese und Müller. Die Luxusliner gelten als Mercedes unter den E-Bikes. Haben sie den Status zu Recht?
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