Tag für Tag komme ich auf dem Weg in die Redaktion an einem Baum vorbei. Er steht ganz in der Nähe – wo genau, möchte ich lieber nicht sagen, es wäre mir unangenehm, aus Versehen jemanden zu beleidigen. Der Baum steht, soweit ich das beurteilen kann, voll im Saft, im Sommer hat er Blätter, im Winter nicht, alles ist so, wie es sein soll.
Seit ein paar Wochen – es weihnachtet sehr – ist er beleuchtet, von mehreren Hundert kleiner Lichter. Aber nicht ganz so, wie Sie sich das jetzt gerade vorstellen – da hängt keine Lichterkette im Wipfel. Vielmehr sind der Stamm und drei, vier der dicksten Äste von unten bis ziemlich weit oben mit einem Lichternetz umwickelt. Es muss sich um eine Maßanfertigung handeln, sicher war sie teuer, und wahrscheinlich war die Idee, den ganzen Baum einzuwickeln. Aber auch das beste Lichternetz ist mal zu Ende, und deshalb sieht der Baum nach Einbruch der Dämmerung aus, als habe er ein echt hartes Jahr hinter sich. Als habe nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach der Blitz eingeschlagen, alles ein bisschen zu stürmisch und einen Hauch zu trocken. Aber Aufgeben ist keine Option, also reckt er eben seine beleuchteten Stümpfe in den Himmel und macht weiter. Tagsüber ist alles wie immer, bei Nacht aber ist der Baum das festlichste Wrack, das ich je gesehen habe.
Immer, wenn ich vorbeikomme, tut er mir leid. Von Tag zu Tag wächst aber auch mein Respekt. Denn er steht noch. Und so viel Verletzlichkeit zu zeigen ist sicher nicht leicht in der oberflächlichen Welt der Weihnachtsdeko. Passt aber alles ganz gut zu diesem Jahr, finde ich – oder wie geht es Ihnen?
Diese Elbvertiefung ist die vorletzte vor Weihnachten – und zugleich für dieses Jahr. Morgen erscheint, wie immer, noch eine neue Podcast-Folge; danach aber macht dieser Newsletter Pause bis zum 6. Januar. Im Namen des ganzen Teams wünsche ich Ihnen deshalb schon heute frohe Feiertage, eine schöne Zeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Ganz und gar verschwinden wir übrigens nicht, denn die nächste Hamburg-Ausgabe der ZEIT erscheint am 31. Dezember. Und morgen, wie gesagt, gibt’s noch einen Podcast.
Bis dahin also – haben Sie einen schönen Tag!
Ihr Florian Zinnecker
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WAS HEUTE WICHTIG IST
© Julian Weber/dpaUm die Sicherheit im Hamburger Nahverkehr zu erhöhen, will die Hochbahn künftig künstliche Intelligenz einsetzen, um Bilder von gefährlichen Situationen wie Schlägereien auf den Aufnahmen ihrer Überwachungskameras besser zu erkennen. Zudem soll das Sicherheitspersonal der Hochbahn und S-Bahn im nächsten Jahr um rund 80 Mitarbeiter auf etwa 750 aufgestockt werden, wie die Verkehrsbehörde mitteilte. Darüber hinaus testet die S-Bahn einen sogenannten stillen Notruf, Passagiere sollen im neuen Jahr über WhatsApp die Wache alarmieren können.
Eine Elbkinder-Kita in St. Georg hat ihren Zaun mit Nato-Stacheldraht verstärkt, um sich vor Eindringlingen zu schützen. Es sei bereits mehrfach vorgekommen, dass Personen nachts unbefugt das Gelände betraten, sagte eine Sprecherin der Kita. Seit einigen Monaten bereits beschweren sich Anwohnerinnen und Anwohner darüber, dass sich die Drogenszene vom Hauptbahnhof in das Wohnviertel verlagert habe.
© ZONNewsletter
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Gleich zwei frühere Hamburger Bürgermeister, Ole von Beust und Christoph Ahlhaus (beide CDU), werden heute vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal erwartet. Sie sollen zu den Machenschaften der ehemals staatlichen HSH Nordbank befragt werden. Zudem sollen Erklärungen des Warburg-Bank-Gesellschafters Christian Olearius und der privatisierten HSH-Nachfolgerin Hamburg Commercial Bank abgegeben werden.
Nachricht des Tages
© Trend ResearchDie meisten Hamburgerinnen und Hamburger sind glücklich, in ihrer Stadt zu leben. Das geht aus der repräsentativen Online-Befragung hervor, die Radio Hamburg und ZEIT:Hamburg bei dem Marktforschungsinstitut Trend Research in Auftrag gegeben haben. 74 Prozent der Befragten gaben an, eher bis sehr glücklich zu sein. Unglücklich sind dagegen nur fünf Prozent. Zudem wurden 886 Wahlberechtigte in der Zeit vom 5. bis 10. Dezember gefragt, ob sie die Innenstadt als Einkaufs- und Aufenthaltsort attraktiv finden. Das Ergebnis: 67 Prozent der Befragten finden die City attraktiv, 32 Prozent finden sie dagegen unattraktiv.
In aller Kürze
• Der ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Kai Voet van Vormizeele ist nach 46 Jahren aus der CDU ausgetreten und begründet dies in einem Brandbrief damit, dass "von den politischen Leitzielen der liberalen Großstadt-CDU nicht viel übrig" sei • Die Hamburger Handelskammer sowie mehrere Hochschulen und Forschungsinstitute fordern, dass die Stadt Start-up-Unternehmen mehr fördert; dafür schlagen sie die Gründung einer Stiftung vor • Der HSV empfängt am Samstag den Verein Greuther Fürth zum Heimspiel
AUS DER HAMBURG-AUSGABE
© Diego Ivan Grandi"Bach konnte gut veräppeln"
Warum hören die Hamburger im Advent so gern das "Weihnachtsoratorium" von Johann Sebastian Bach? Und ist das wirklich so schwer für die Trompeten? Ein Gespräch zwischen dem Bach-Experten Michael Maul und ZEIT-Redakteurin Christina Rietz; lesen Sie hier einen Auszug aus dem Interview.
DIE ZEIT: Herr Maul, in kaum einer Stadt in Deutschland wird das "Weihnachtsoratorium" in der Adventszeit so oft aufgeführt wie in Hamburg. Wie kommt das?
Michael Maul: Eine Rolle spielt sicher, dass Hamburg protestantisch ist – lutheranermäßig, wie Bach selbst es war – und dass die Stadt viele große und sehr alte Kirchengemeinden hat. Ich vermute, die Hälfte der Aufführungen wird von Laienchören bestritten. Die haben in Hamburg eine lange Tradition. Und so ein "WO" – das ist der Spitzname unter Musikern – setzt bei allen Mitwirkenden immer ungeahnte Energien frei, zumal Jahr für Jahr Tausende dafür in die Kirchen pilgern.
ZEIT: Strömen die vielen Menschen hier auch deshalb in die Kirche, weil Hamburg als nördlich-protestantische Stadt kein ernst zu nehmendes Brauchtum im Advent besitzt – und so sucht man sich Ersatz?
Maul: Da fehlt mir das Spezialwissen, aber eines ist sicher: Bach ist heute sozusagen eine amtlich zertifizierte Ersatzreligion. Immer wenn an Heiligabend der Pfarrer in der Kirche das Weihnachtsevangelium nach Lukas vorliest, also "Es begab sich aber zu der Zeit ..." und so weiter, dann denke ich bei mir: Hey, das muss doch gesungen werden! Bach hat schließlich den perfekten Soundtrack dazu geliefert – und der ist für jeden "Bach-Christen" eins geworden mit dem Gegenstand. Kurz: Das Stück gehört längst für viele zu Weihnachten wie der Weihnachtsbaum.
ZEIT: Hat Bach denn Hamburg mal besucht?
Maul: Einmal, da war er 35 und bewarb sich um die Organistenstelle an St. Jacobi. Womöglich war er auch als Teenager – von Lüneburg aus – mal da. Hamburg war damals sein Sehnsuchtsort. Dort wirkte der berühmte Organist Johann Adam Reincken, Bachs großes Idol.
Warum außer in Hamburg das "Weihnachtsoratorium" nach Bachs Tod fast überall in Vergessenheit geriet, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf ZEIT ONLINE.
DER SATZ
© Niklas Graeber/pa"Alles steht auf der Kippe, bis eine neue Bundesregierung im Amt ist und die vorläufige Haushaltsführung beendet."
Warum Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) gerade Hamburger Bauprojekte auflistet, hat ZEIT:Hamburg-Redakteur Christoph Heinemann einmal nachvollzogen – den ganzen Artikel lesen Sie hier.
MAHLZEIT – Die Gastrokritik
Vielleicht ist es ja altmodisch, wenn man Multikulti auf der Speisekarte misstraut. Die vom Naya in Poppenbüttel treibt es verblüffend bunt: Steaks und Spaghetti, California Rolls und Kalb Stroganoff ... Aber es ist ja auch eine Menge Platz in der umgebauten Scheune, was wiederum heißt: viele Köche, die ihre Talente einbringen können. So sitzt man also erwartungsvoll in der rustikalen Stube, die um diese Jahreszeit etwas Heimeliges hat. Und die Erwartung steigert sich eine ganze Weile, weil der nette, aber knapp besetzte Service im Vorweihnachtsandrang kaum hinterherkommt.
Das macht einen nach knapp einer Stunde nicht gnädiger gegenüber dem "Bao Bun", der mit seiner Füllung aus Kürbis, Mango, Kimchi, Senf und Cheddarkäse ohnehin verdächtig klingt. Doch irgendwie passt das alles. Und der weiche, dicke Teig der vietnamesischen Dampfnudel legt eine leichte Süße über die pikanten Noten. Etwas verloren wirken nur die Cornichons am Tellerrand.
Auf Purismus versteht sich diese Küche auch. Die Nigiri Sushi überzeugen mit angenehm lockerem Reis und Thunfischscheiben, die trotz dickem Zuschnitt fast auf der Zunge schmelzen.
Der Hauptgang war als geschmackliche Heimreise gedacht. Die "Fancy Duck" ist mit stolzen 49 Euro das teuerste der Weihnachtsgerichte – und ein Versuch, die klassischen Zutaten etwas moderner zu präsentieren. Das gelingt bei der Rotkohlmousse, die zwar etwas unfancy auf dem Teller zerläuft, die Frucht- und Würz- und Kohlaromen aber fein zur Geltung bringt. Spaß macht auch die mit Panch Phoron indisch aufgepeppte Sauce. Die geschmorte Entenbrust allerdings gibt Rätsel auf: das Fleisch ziemlich durch, die Haut ziemlich weich, was der Rotkohlknusper darauf nicht wirklich kaschieren kann. Warum das so ist? "Weil sie geschmort ist", entgegnet der Kellner, als sei das eine ziemlich dämliche Frage. Und warum ist sie geschmort? Vielleicht, weil die Küche doch nicht ganz so groß ist und sich das Fleisch auf diese Art viel leichter vorbereiten lässt.
Das 2023 eröffnete Naya ist so etwas wie drei gute Restaurants unter einem Dach. Es könnte aber sicher auch ein richtig gutes sein.
Michael Allmaier
Naya, Poppenbüttler Landstraße 1c, Poppenbüttel. Tel. 602 70 61
DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN
Im Museum der Hamburger Universität gibt es die kleine Ausstellung "Portraits of Climate" zu sehen. In diesem Projekt des Exzellenzclusters für Klimaforschung haben fünf Tandems mit je einem Künstler und ein bis zwei Wissenschaftlern gemeinsam zum Thema Klimawandel gearbeitet, Ideen ausgetauscht und überlegt, wie man das Thema Klimawandel sichtbarer und verständlicher zeigen kann. Entstanden sind Videos, Gemälde, Skulpturen und Installationen.
"Portraits of Climate", bis 30. April, Di 10–14 Uhr, Do 15–19 Uhr, Sa 14–18 Uhr; Universitätsmuseum im Hauptgebäude, 1. Stock, Edmund-Siemers-Allee 1; mehr Informationen gibt es hier
MEINE STADT
Winter auf der Alster (Dezember 1967) – Erinnern Sie sich noch? © Holger BohacHAMBURGER SCHNACK
Ich erzähle meinem Freund vom Paul McCartney-Konzert in Paris: "Das war aber auch ganz schön anstrengend, diese Menschenmassen - 40.000 Leute." Er, in Anlehnung an das vergangene Advents-Wochenende mit Weihnachtsmarktbesuch: "Also wie auf dem Rathausmarkt?" - Ich: "Da waren ja nicht 40.000 Leute." - Er: "Gefühlt schon!"
Gehört von Wiebke Nielsen
DIE HEUTIGE AUSGABE ZUM VERTIEFTEN LESEN
"Bach konnte gut veräppeln" (Z+) – Warum hören die Hamburger im Advent so gern das "Weihnachtsoratorium" von Johann Sebastian Bach? Und ist das wirklich so schwer für die Trompeten? Ein Gespräch mit dem Bach-Experten Michael Maul
"Alles steht auf der Kippe" (Z+) – Warum der Finanzsenator gerade Hamburger Bauprojekte auflistet
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