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Fettes Brot: Als Kunstfiguren sind Fettes Brot ewig 16 geblieben

Fettes Brot: Geht's besser?

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Als Kunstfiguren sind Fettes Brot ewig 16 geblieben

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  1. Seite 1Geht's besser?
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  3. Seite 3Die Masche wurde zum Meme

Wie Ernest Hemingway es einst von der Literatur forderte, bildet das Ausgesprochene hier nur die Spitze des Eisbergs dessen, was tatsächlich erzählt wird. Im echten Leben waren Fettes Brot schon Mitte 20, als Bundeskanzler erschien, aber als Kunstfiguren sind sie ewig 16 geblieben, und hier entfaltet sich eine wunderbare Jugendzimmer-Vignette: Drei Jungs hocken zu Hause auf dem Bett und spielen Gesellschaftsspiele, während auf einem mutmaßlich kleinen und klobigen Fernseher in der Zimmerecke der Musiksender Viva Zwei flimmert. Der war damals neu und hatte ein eklektisches Programm, in dem ein hartes E-Gitarren-Stück von Nirvana umstandslos auf einen Popsong wie Ironic von Alanis Morissette folgen konnte. Die drei Teenie-Jungs schauen von ihrem Spiel auf und lachen über Morissette, das Hippiemädchen mit den geflochtenen Zöpfen, aber nur aus alterstypischer Unsicherheit. Das wahre Begehren bleibt unausgesprochen, liegt aber offen. Warum sonst würde sich "Morissette" so gut auf "Boris' Bett" reimen?

Das alles war Ende der Neunzigerjahre. Rap-Acts wie Digger Dance spielten damals schon wagemutig mit Doppelreimen, aber die Regel war das nicht. Als die Beginner und Samy Deluxe ein Jahr später reimten: "Denn das Rudel tollt, wenn der Rubel rollt", galt das bereits als Sensation. Es mussten noch etliche Jahre vergehen, bis Künstler wie Kollegah das Rappen technisch so weit perfektioniert und in ihren Texten so viele Reime pro Zeile untergebracht hatten, dass sie nicht mehr wie Menschen klangen, sondern wie Maschinen: Rattattattattattattatt.

Man kann das beispielhaft in seinem Track AKs im Wandschrank hören. Im dazugehörigen Musikvideo sieht man auch, woran sich der Künstler dabei orientierte, nämlich am Klang von Sturmgewehren und Geldautomaten. Allerdings: Die Gangstergeschichten, die Kollegah mit seinem Hightech-Rap erzählte, waren nicht halb so originell oder wahrhaftig wie die Jugendzimmeranekdoten von Fettes Brot.

Pointiert gesagt stellte Kollegah den Höhepunkt und den Endpunkt einer Entwicklung dar. So wie in den Siebzigerjahren der technisch ausgetüftelte, aber fade gewordene Prog-Rock vom Punk abgelöst wurde, so kam in den Zehnerjahren eine neue Generation von Rappern auf, die auf Geschwindigkeit und Reimdichte nichts mehr gab – und so die Szene erneuerte. Der muskelbepackte Maschinenmann Kollegah sah plötzlich ziemlich alt aus, als der schmächtige Yung Hurn um die Ecke geschlurft kam und phlegmatisch ins Mikrofon nuschelte: "Deine Freunde verkaufen jetzt Drogen, OK cool, du stehst heute auf der Gästeliste, OK cool." Chorus: "OK cool, OK cool, OK cool, OK cool, OK cool, OK cool, OK cool, OK cool." Damit war klar: Die alten Regeln der sprachspielerischen Raffinesse und technischen Perfektion galten nicht mehr. Eine neue Zeit war angebrochen.

Einige ältere Rapper machten diese Entwicklung nicht mit. In Interviews oder auf Podiumsdiskussionen grantelten sie über das Unvermögen der Nachgeborenen und beschworen das goldene Zeitalter der Neunziger. Damals war Rap noch Handwerkskunst! Damals gab es noch Maßstäbe für Qualität!


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