Ausgleichszahlungen
Klimaschutz durch CO2-Kompensationen: Gut gemeint ist hier nicht gut gemachtAktualisiert am 29.01.2025, 08:41 Uhr
CO2-Kompensationen für den Klimaschutz sind deutlich weniger wirksam als viele Menschen denken. © Getty Images/Pongsak Sapakdee
Ausgleichszahlungen sollen das Klima dort schützen, wo sich Emissionen derzeit nicht vermeiden lassen. Studien zeigen: Das gelingt nur selten wirklich.
Flugscham, dieser Begriff entstand vor einigen Jahren in der Klimaschutzbewegung. Er beschreibt das schlechte Gewissen, sich trotz der Klimakrise für eine Flugreise zu entscheiden.
Inzwischen kann man sein Gewissen erleichtern und die so verantworteten Emissionen gegen Bezahlung kompensieren lassen. Doch systematische Auswertungen zeigen: Kompensationsprojekte erzielen nur ein Sechstel der versprochenen Klimaschutzeffekte.
Was ist die Idee hinter CO2-Kompensationen?Manche Treibhausgasemission lässt sich heute noch nicht vermeiden. Dazu zählen neben den Kerosinabgasen eines Flugzeugs zahlreiche Industrieprozesse. Selbst dort, wo klimaneutrale Prozesse technisch möglich wären, sind sie es manchmal nicht, weil der Strommix noch Strom aus fossilen Energien enthält.
Wenn sich an dieser Stelle also Emissionen nicht vermeiden lassen, warum dann nicht zum Ausgleich an anderer Stelle für Klimaschutz sorgen? Daraus entstanden ist das "Carbon Crediting", ein Handel mit käuflichen Emissionsvermeidungen.
Wie sollen Treibhausgasemissionen ausgeglichen werden?Grundsätzlich gibt es drei Ansätze:
Eine wissenschaftliche Analyse im Fachjournal "Nature Communications", die 65 Studien zu Kompensationsmaßnahmen ausgewertet hat, summiert darin Gutschriften für CO2-Emissionen im Umfang von rund einer Milliarde Tonnen CO2-Äquivalenten, etwa drei Prozent der globalen Emissionen des Jahres 2023. Allerdings ist dieser Zertifikate-Markt uneinheitlich und intransparent, sodass sich kaum sagen lässt, wie groß er tatsächlich ist.
Was sind CO2-Äquivalente?Es gibt jedoch zwei wichtige Kritikpunkte: Zum einen beruhen die versprochenen Emissionsminderungen auf unsicheren Schätzungen. Zum anderen stellt sich oftmals die Frage, ob entsprechende Projekte nicht auch ohne Erlöse aus den Kompensationszertifikaten realisiert worden wären.
Welche Daten gibt es zur Wirksamkeit?Besagte Analyse wurde im November 2024 von einem internationalen Team unter deutscher Beteiligung veröffentlicht. Sie ist wahrscheinlich die größte fachlich belastbare Auswertung des Kompensationsmarkts – und ihr Urteil ist vernichtend: Nur 16 Prozent der weltweit ausgestellten Zertifikate resultieren aus real verringerten Emissionen.
Effizientere Kochherde etwa vermeiden nur ein Neuntel der von den Projektplanern behaupteten CO2-Emissionen. Waldschutzprojekte binden im Mittel nur ein Viertel der CO2-Mengen, für die die Anbieter Zertifikate erstellen. Darin ist noch nicht berücksichtigt, dass auch solche Kompensationswälder Waldbränden, Stürmen oder Schädlingen zum Opfer fallen können und dann sämtliche Klimaschutzwirkung verloren geht.
Wie kommt es zu den enormen Abweichungen?Bei den effizienten Kochherden zeigte sich, dass viele Haushalte unabhängig von den Kompensationsprojekten moderne Öfen angeschafft hätten. Gleichzeitig nutzen Haushalte häufig den alten Ofen parallel weiter oder kehren infolge mangelnder Akzeptanz oder technischer Probleme zum alten Ofen zurück. Wieder andere kochen aufgrund der größeren Effizienz mehr als früher. Nicht zuletzt berechnen Anbieter die Effizienz der Öfen unter Laborbedingungen, die davon abweichen, wie die Öfen real genutzt werden. Auch der Anteil nicht-nachhaltiger Brennstoffe der alten Öfen wird gerne überschätzt, damit der Klimanutzen eines Austausches besonders groß erscheint.
Beim Waldmanagement in den USA wollten die Projekte Praktiken etablieren, durch die in den Wäldern mehr Kohlenstoff gespeichert wird, etwa seltenere und schonendere Holzernten und mehr Aufforstung, insbesondere mit Baumarten, die viel Kohlenstoff binden. In der Praxis hätten viele Waldbesitzer auch ohne Kompensationsprojekte diese Praktiken eingeführt. Außerdem haben Projektbetreiber oft Forste ausgesucht, in denen zuvor wenig Holz geerntet wurde. Dadurch wurde das künftige Potenzial zur CO2-Bindung unrealistisch hoch angesetzt. Unterm Strich nutzte es dem Klima nicht, das Waldmanagement über die gezahlten Kompensationen zu verbessern.
Genauso wirkungslos blieben der Studie zufolge Zertifikate aus dem Windkraftausbau in China: Praktisch alle Anlagen wären aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit sowieso errichtet worden.
Was bedeutet das für Kompensationsprojekte?Die Autorinnen und Autoren der Studie resümieren, dass der Markt für freiwillige und verpflichtende Kompensationen ohne signifikante Reformen nicht in der Lage sein werde, die Pariser Klimaziele zu unterstützen. "Für mich sind die Ergebnisse weder überraschend noch neu", kommentiert Carsten Warnecke vom New Climate Institute in Köln, der nicht an der Studie beteiligt war. Es sei aber trotzdem bemerkenswert, dass die Situation so schlecht sei und sich trotz aller Versprechen und Bemühungen nicht gebessert habe. Daran wird sich laut Warnecke wenig ändern: "Die letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass ein durchsetzbares Regelwerk auf internationaler Ebene in diesem Bereich reines Wunschdenken ist."
Wie hoch ist der Schaden einer Tonne CO2?Etwas positiver bewertet der ebenfalls nicht an der Studie beteiligte Klimapolitikexperte Gunter Bensch die Ergebnisse. So seien einige Zulassungskriterien und Berechnungsmethoden der Projekte bereits angepasst worden – auch wenn diese unzureichend seien und die Ergebnisse der Analyse weiterhin gültig. Trotz dieser Kritik sieht der Forscher einen Nutzen in Emissionsgutschriften aus Kompensationsprojekten: "'Carbon Crediting' ist ein wichtiges Instrument für den Klimaschutz, da es Emissionseinsparungen dort ermöglicht, wo sie am kostengünstigsten sind."
Über die Gesprächspartner© RiffReporter
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