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Merz-Kenner im Interview: Kann der CDU-Chef Kanzler?

Interview Neue Regierung

Merz-Kenner im Interview: Kann der CDU-Chef Kanzler?

Aktualisiert am 06.05.2025, 21:36 Uhr

Wohin geht's für ihn und Deutschland? CDU-Chef Friedrich Merz bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags in Berlin. © picture alliance/AP/Ebrahim Noroozi

Regierungswechsel in Deutschland: Friedrich Merz und seine schwarz-rote Koalition übernehmen. Im Interview sagt der Merz-Kenner Daniel Goffart, was vom neuen Kanzler zu erwarten ist.

Eigentlich war alles darauf ausgelegt, dass dieser Dienstagmorgen der politische Höhepunkt im Leben von Friedrich Merz wird. Im Bundestag sollten die Fraktionen von Union und SPD den 69-Jährigen zum neuen Kanzler wählen. Doch es folgte ein politisches Beben: Im ersten Wahlgang scheiterte der CDU-Chef an der erforderlichen Mehrheit.

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Erst im zweiten Wahlgang kam Merz auf die benötigten Stimmen. Und kann ins Kanzleramt einziehen. Da wollte er immer hin, sagt der Journalist und Autor Daniel Goffart. Er beobachtet Merz schon lange und hat auch ein Buch über ihn geschrieben. Goffart kennt die Stärken des Sauerländers – und seine Schwächen. Das Interview wurde vor der Kanzlerwahl geführt.

Herr Goffart, kann Friedrich Merz Kanzler?

Daniel Goffart: Das werden wir sehen. Er beginnt seine Regierungszeit mit einer Vielzahl von Problemen. Kriege in Europa und im Gazastreifen, das schwierige Verhältnis zu China, der Handelskrieg mit den USA und natürlich die russische Bedrohung. Es gibt wohl keinen Kanzler, der so schwierige Startbedingungen hatte. Friedrich Merz muss jetzt all seine politische Kunst aufbieten, um die Probleme in den Griff zu bekommen – und zu zeigen, dass er das Amt erfolgreich ausfüllen kann.

Mit einem Vertrauensvorschuss startet er nicht. Die meisten Deutschen sehen Merz kritisch. Das spricht nicht für eine starke Kanzlerschaft.

Dass ein breiter Vertrauensvorschuss fehlt, hat bereits das Wahlergebnis gezeigt. Trotzdem: Die Union war mit Abstand die stärkste Kraft, die SPD auf einen Tiefststand geschrumpft. Die politische Landschaft ist fragmentiert. Diese Entwicklung sehen wir überall in Europa. Deutschland ist keine Ausnahme. Das Vertrauen der Bürger in die Lösungskompetenz von Politik sinkt. Damit wird Merz in seiner Kanzlerschaft umgehen müssen.

War es ein Fehler von Merz, einen harten Wahlkampf für die Schuldenbremse zu führen – und direkt nach der Wahl mit dem alten Bundestag Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur lockerzumachen?

Dazu zwei Gedanken: Die weltpolitische Lage hat sich unmittelbar nach der Wahl dramatisch verändert. US-Präsident Donald Trump hat seine schützende Hand über Europa weggezogen und das NATO-Beistandsversprechen in Frage gestellt. Europa muss also jetzt innerhalb kürzester Zeit seine eigene Verteidigung organisieren, was wahnsinnig viel Geld kostet. Es war richtig, hierfür die Schuldenbremse zu lockern. Anders verhält es sich mit dem Infrastrukturpaket.

Auch hierfür hat der Bundestag ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen beschlossen.

Dafür gibt es auch gewisse Notwendigkeiten, aber die waren nicht so dramatisch und so unabsehbar wie bei der Verteidigung. Die neue Koalition aus Union und SPD hätte sich dafür eine eigene Zwei-Drittel-Mehrheit suchen müssen – im neuen Bundestag. Dass es anders gekommen ist, halte ich für einen Fehler und ja, auch für Wortbruch.

Der Journalist und Autor Daniel Goffart. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Monika Skolimowska

Was kann der künftige Kanzler Merz tun, um Vertrauen zurückzugewinnen?

Vertrauen entsteht, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Probleme gelöst oder zumindest angegangen werden. Die Themen sind alle bekannt: Vom Eindruck der unkontrollierten Zuwanderung über die Sorge vor wirtschaftlichem Abstieg bis zur unzureichenden Verteidigungsfähigkeit gegen ein Russland, das immer aggressiver auftritt. Hier muss Merz liefern. Das weiß er auch. Dafür gibt es einen Koalitionsvertrag, den die Regierung umsetzen muss.

Allerdings stehen alle Projekte darin unter Finanzierungsvorbehalt. Das klingt nach Streit.

In der Politik steht immer alles unter Finanzierungsvorbehalt. Politik ist eben nur zu einem gewissen Teil planbar. Das hat die Ampel gezeigt. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und der Zeitenwende hätte sich die Ampel-Koalition auf neue Prioritäten verständigen müssen – egal, was im Koalitionsvertrag steht. Das hat sie aber nicht getan und das hat auch zu ihrem vorzeitigen Ende geführt. Die Formulierung des Finanzierungsvorbehalts im jetzigen Koalitionsvertrag ist also schlicht eine Annäherung an die Realität.

Welche Stärken kann Friedrich Merz im Amt ausspielen?

Er verfügt über große politische Erfahrung. Er hat den Rückhalt seiner Partei. Das war bei seinem Vorgänger Olaf Scholz vielleicht anders. Vor allem aber ist Merz ein Kanzler, der sehr viel von Wirtschaft versteht und der weiß, wie er sie wieder in Schwung bringt. Man darf nicht vergessen: Deutschland ist bereits im dritten Krisenjahr. Wenn die Konjunktur wieder anspringt, ist auch das Geld da, um die großen Projekte aus dem Koalitionsvertrag zu finanzieren.

"Merz ist ein Offensivspieler. In der neuen Rolle braucht er mehr."

Daniel Goffart

Und welche Schwächen hat Merz?

Als Oppositionsführer war es seine Aufgabe, die Schwachstellen der Regierung aufzudecken und anzugreifen. Das konnte er gut. Merz ist ein Offensivspieler. In der neuen Rolle braucht er mehr. Jetzt muss er Konzepte vorlegen, die langen Linien der Regierungspolitik entwerfen. Nur Attacke reicht nicht mehr. Ich glaube, dieses Umschalten muss er noch besser machen. Er war über viele Jahre Einzelkämpfer. Jetzt muss er im Team arbeiten und auch lernen, anderen Menschen zu vertrauen. Ich bin gespannt, wie ihm das gelingt.

Friedrich Merz ist bereits 69 Jahre alt und hatte noch nie ein Regierungsamt inne. Ist das ein Problem?

Das Alter ist kein Nachteil. Im Wahlkampf war ich mit ihm auf einer Fahrradtour im Sauerland. Da kamen viele Kollegen aus den Medien an ihre Grenzen. Nicht aber Merz. Er ist körperlich sehr fit – und deutlicher robuster als die meisten Journalisten, die schlecht über ihn schreiben.

Und die fehlende Regierungspraxis?

Das ist natürlich ein Nachteil. Andererseits: Er hat große Erfahrungen in der Wirtschaft gesammelt und ist auch kein Polit-Neuling. Seine Karriere begann in Brüssel im Europäischen Parlament. Merz ist überzeugter Europäer. Seine erste Auslandsreise führt ihn daher jetzt nach Paris und dann nach Warschau. Er will die Kräfte in Europa wieder austarieren zwischen Ost und West. Das halte ich auch für richtig. Und es ist ein Teil seiner politischen Erfahrung, an den er gleich anknüpft.

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